Die Sozialdemokraten sind im Begriff, das letzte Vertrauen in ihren Verstand zu verspielen. Sie bauen einen riesigen Popanz der Gefahr auf, die Deutschland drohe, wenn es die Ukraine mit wirksamen Waffensystemen versorgen würde. Teils beschwören sie einen Atomangriff der Russen auf Deutschland, teils warnen sie davor, Deutschland schwäche seine Verteidigungsfähigkeit durch Abgabe von Waffen an die Ukraine. Es ist wie zu Beginn des Krieges: Den Sozialdemokraten ist kein Argument zu billig, um Zurückhaltung bei der Unterstützung gegen Putin zu üben. Zunächst wollte man, wir erinnern uns, vor allem Helme liefern. Und Nord Stream 2 beibehalten.

Dann zögerte man bei der Lieferung von Geschützen und Panzern. Oder man lieferte die Geschütze, aber hatte keine Munition. Jetzt bucht Rolf Mützenich, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, sogar die Kosten der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge auf das Konto der Unterstützung. Als hätte das irgendeine Wirkung auf die Chancen der Ukraine, dem verbrecherischen Angriff Russlands zu widerstehen. Er spricht vom „Einfrieren“ des Krieges, das zu erstreben sei, ohne ein Wort auf den Verbrecher Putin und seine Bereitschaft, etwas einzufrieren, zu verwenden.

Ihm steigt der pazifistische Ekel oder jedenfalls die gespielte Empörung ins Gesicht, wenn er überhaupt von Waffen sprechen muss, so als ob Krieg ein sachfremder, unmoralischer Gesichtspunkt in der Auseinandersetzung mit mafiosen Diktatoren wäre. Mützenich, der Chamberlain unserer Tage, gehört zur Gruppe der Schwesigs, Stegners und Scholzens, die sich auskömmliche Beziehungen zu Russland vorstellen können. In Frankreich würde man sie „Munichoises“ nennen, nach dem faulen Kompromiss, der einst in München mit Hitlers Ambition gefunden wurde, die Tschechoslowakei zu annektieren. Wir kennen den Ausgang dieser Art von Friedfertigkeit. Sie gibt sich moralisch, ist aber eine Form von Feigheit. Gegenüber den entschlossenen Tyrannen ist sie Schwäche.

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Kanzler Scholz hatte von einer Zeitenwende geredet. Gemeint war aber wohl mehr die Zumutung, die es für die Mützenichs in seiner Fraktion bedeutet, Russland die Stirn zu bieten. Man war, siehe Steinmeier, Freundschaft gewohnt. Das hält sich hartnäckig. Dem Gerede von der Zeitenwende entsprechen darum keine Aktionen. Man möchte, typisch deutsch, dabei sein, ohne sich zu engagieren, seinen Beitrag leisten, ohne Opfer zu bringen. Rolf Mützenich ist mit solchen Einlassungen eine verächtliche Figur der deutschen Politik. Die Sozialdemokraten sollten sich überlegen, wie viel Feigheit sie als Rationalität tarnen können. Denn sie haben einen Gegner, Putin, dem solche Rhetorik gleichgültig ist und der ihre Schwäche identifizieren wird. Er lacht über die Sozialdemokraten.

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Rolf Mützenich, der Chamberlain unserer Tage

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18.03.2024

Die Sozialdemokraten sind im Begriff, das letzte Vertrauen in ihren Verstand zu verspielen. Sie bauen einen riesigen Popanz der Gefahr auf, die Deutschland drohe, wenn es die Ukraine mit wirksamen Waffensystemen versorgen würde. Teils beschwören sie einen Atomangriff der Russen auf Deutschland, teils warnen sie davor, Deutschland schwäche seine Verteidigungsfähigkeit durch Abgabe von Waffen an die Ukraine. Es ist wie zu Beginn des Krieges: Den Sozialdemokraten ist kein Argument zu billig, um Zurückhaltung bei der Unterstützung gegen Putin zu üben. Zunächst wollte man, wir erinnern uns, vor allem Helme liefern. Und Nord Stream 2 beibehalten.

Dann zögerte man bei der Lieferung von Geschützen und Panzern. Oder man lieferte die Geschütze, aber hatte keine Munition.........

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