Zehn Minuten. So lange darf es in Deutschland dauern von dem Moment, in dem der Notruf gewählt wurde, bis zum Eintreffen des Rettungswagens oder der Feuerwehr. Das mag eine lange Zeit für jemanden sein, der dringend medizinischer Hilfe bedarf. Faktisch gesehen ist es aber eine erstaunliche Leistung, dass diese gesetzlich vorgeschriebene Frist im ganzen Bundesgebiet garantiert werden kann. In Frankfurt sind die Rettungskräfte in 80 Prozent der Fälle sogar schneller am Ort. In spätestens acht Minuten.

Was sich über Jahre entwickelt hat, nämlich die immer schnellere und gezieltere Versorgung von akut lebensbedrohlich erkrankten oder verletzten Menschen, steht in Frankfurt auf der Kippe. Und zwar nicht nur deshalb, weil immer mehr Menschen die 112 wählen, obwohl es sich gar nicht um einen Notfall handelt und sie dadurch das System erschöpfen. Eine weitere Entwicklung bringt die Feuerwehr und den Rettungsdienst an ihre Grenzen: die von der Stadt vorangetriebene Verkehrswende. In anderen Worten: mit Pollern versehene Straßen und verengte Fahrbahnen, die die Rettungswagen auch bei mäßigem Verkehr geradezu ausbremsen.

Die Feuerwehr, heißt es in einem Schreiben der Frankfurter Sicherheitsdezernentin Annette Rinn (FDP), laufe inzwischen im Notbetrieb. Denn Mitarbeiter, die sich eigentlich um den Brandschutz kümmern müssten, sind mit nichts anderem mehr befasst als mit der Frage: Wie kommen wir noch durch die Stadt, wenn es irgendwo brennt?

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Nun könnte man anführen, dass auch Baustellen von Privatleuten und Investoren, von denen es in Frankfurt unzählige zu geben scheint, Feuerwehr und Rettungsdienste behindern. Tatsache ist: Das macht es nur schlimmer. Die politisch Verantwortlichen, allen voran die Grünen, haben die Infrastruktur nicht mitbedacht. Sie haben, wenn es um Verkehrsberuhigung durch Straßensperren geht, diejenigen nicht hinreichend einbezogen, die im Kern betroffen sind. Das sind die Anwohner ebenso wie Geschäftsleute. Und das ist auch der Rettungsdienst, der sich lange zurückgehalten hatte in der Diskussion, nun aber umso mehr Gewicht bekommt.

Denn die Branddirektion ist weit entfernt davon, ideologisch zu argumentieren, sie führt nur die Fakten ins Feld. Und die sehen derzeit so aus, dass Rettungsfahrten angetreten werden, ohne dass klar ist, ob die zehn Minuten eingehalten werden können oder nicht. Derzeit gelingt es noch. Aber die Sorge schwingt mit: wie lange noch?

Die Branddirektion trifft einen Punkt, wenn sie sagt, dass ihr weniger Autoverkehr in der Stadt sogar zugutekäme. Aber wenn man sich schon dafür entscheide, den Verkehr einzudämmen, brauche man auch eine Idee, wie die „Phase der Transformation“ ablaufen soll. Darüber hat sich die derzeitige Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt offenbar noch keine Gedanken gemacht.

QOSHE - Die Verkehrswende bremst die Retter aus - Katharina Iskandar
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Die Verkehrswende bremst die Retter aus

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12.12.2023

Zehn Minuten. So lange darf es in Deutschland dauern von dem Moment, in dem der Notruf gewählt wurde, bis zum Eintreffen des Rettungswagens oder der Feuerwehr. Das mag eine lange Zeit für jemanden sein, der dringend medizinischer Hilfe bedarf. Faktisch gesehen ist es aber eine erstaunliche Leistung, dass diese gesetzlich vorgeschriebene Frist im ganzen Bundesgebiet garantiert werden kann. In Frankfurt sind die Rettungskräfte in 80 Prozent der Fälle sogar schneller am Ort. In spätestens acht Minuten.

Was sich über Jahre entwickelt hat, nämlich die immer schnellere und gezieltere Versorgung von akut lebensbedrohlich erkrankten oder verletzten Menschen, steht in Frankfurt auf der Kippe. Und zwar nicht nur deshalb, weil immer mehr Menschen die 112........

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