Eines muss man festhalten, wenn man sich die Pläne für das Frankfurter Bahnhofsviertel anschaut, die am Dienstag vorgestellt worden sind: Untätig war die Stadtregierung nicht. Straßen sollen neu gestaltet werden, Toiletten werden aufgestellt, die Reinigungsintervalle nochmals erhöht. Außerdem wurde endlich erkannt, dass Crack, das inzwischen 70 Prozent des gesamten Drogenaufkommens ausmacht, das Hauptproblem ist. Fast mag man meinen, die zuständigen Dezernenten für Sicherheit, Soziales, Drogen und Müll seien endlich aufgewacht – wenn auch mithilfe eines Weckrufs, der in Form von Beschwerden und öffentlicher Berichterstattung seit Jahren auf diese, aber auch die vorherige Stadtregierung eingewirkt hat.

Doch so gut und wichtig diese vielen kleinen Schritte sind – sie werden am Ende nicht den großen Umschwung bringen, den das Viertel braucht. Jedenfalls nicht, solange nicht das Grundproblem gelöst ist: die Reduzierung der Drogenszene. Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Frankfurt nicht „ganz Süddeutschland“ mitversorgen könne. Das ist der entscheidende Satz, der hoffentlich im Magistrat Gehör findet. Wenn es nicht gelingt, die Szene zu verkleinern, nutzen auch schönere Fassaden nichts.

Lange war unklar, wer alles in Frankfurt Hilfe in Anspruch nehmen kann. Nun gibt es Zahlen. Demnach kommt mehr als jeder zweite registrierte Drogenkonsument nicht aus der Stadt. Ein Drittel wiederum kommt nicht einmal aus Hessen. Es stellt sich die Frage, warum dieser Zustand nicht geändert wird. Frankfurt kann als einzelne Kommune nicht als Sammelbecken für Drogensüchtige aus weiten Teilen Deutschlands dienen. Die Kapazitäten sind nahezu erschöpft.

13,5 Millionen Euro, und demnächst noch mehr, wendet die Stadt für die Drogenhilfe auf. Künftig kommen weitere Hilfsleistungen hinzu, so etwa Unterkünfte und ein Pflegedienst, der schwerkranke Abhängige versorgt. Die Grünen argumentieren damit, dass die Stadt „für jeden Menschen“ da sein soll. Entsprechend richten sie die städtische Drogenpolitik aus. Dieser Anspruch kann aber nur erfüllt werden, wenn dabei die Bedürfnisse anderer Teile der Bevölkerung, allen voran der Anwohner und der Gewerbetreibenden, nicht in den Schatten gestellt werden. Und genau das passiert. Statt immer wieder neue Pull-Faktoren zu schaffen, sollte die Stadtregierung endlich eine Wende wagen. Die Forderung, dass das Land sich einbringen soll bei der Schaffung einer am Ende bundesweiten Infrastruktur, ist dabei ein erster Schritt.

QOSHE - Keine Wende in Sicht - Katharina Iskandar
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Keine Wende in Sicht

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18.04.2024

Eines muss man festhalten, wenn man sich die Pläne für das Frankfurter Bahnhofsviertel anschaut, die am Dienstag vorgestellt worden sind: Untätig war die Stadtregierung nicht. Straßen sollen neu gestaltet werden, Toiletten werden aufgestellt, die Reinigungsintervalle nochmals erhöht. Außerdem wurde endlich erkannt, dass Crack, das inzwischen 70 Prozent des gesamten Drogenaufkommens ausmacht, das Hauptproblem ist. Fast mag man meinen, die zuständigen Dezernenten für Sicherheit, Soziales, Drogen und Müll seien endlich aufgewacht – wenn auch mithilfe eines Weckrufs, der in Form von Beschwerden und öffentlicher........

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