Als die Fotografie als neues Me­dium avancierte, fürchteten viele Künstler, das sei das Ende der Malerei. Der Historienmaler Paul Delaroche rief im Angesicht der ersten Daguerreotypie: „Von diesem Augenblick an ist die Kunst tot!“ Ähnlich sorgenvoll klingen heute die Hilferufe der Kunstschaffenden mit Blick auf die Entwicklung Künstlicher Intelligenz.

Jüngst kommen sie von den Synchronsprechern, die – wie auch die Schauspieler und Drehbuchautoren – im vergangenen Sommer monatelang ihre Arbeit niederlegten, aus Sorge, KI könne ihre Jobs ersetzen.

Dass sie nicht unbegründet ist, zeigt der Fall Ned Luke, Sprecher von Michael De Santa im Videospiel Grand Theft Auto V („Schwerer Autodiebstahl 5“). Seine Stimme hat das Unternehmen WAME kurzerhand und ohne dessen Einwilligung einem KI-Sprach-Chatbot eingepflanzt, der es Fans ermöglichte, ein Gespräch mit dem Videospielcharakter zu führen.

Lukes wutentbrannte Reaktion auf den Stimmdiebstahl ließ nicht lange auf sich warten: „Das ist verdammter Mist“ und „absolut nicht cool“, ließ er über seinen Account auf der Plattform X wissen, wo­raufhin das Unternehmen den Bot reumütig wieder aus dem Netz nahm.

Lukes Kritik richtet sich darüber hinaus an die Gewerkschaft SAG-AFTRA, in der sich unter anderem Synchronsprecher organisieren. Erst wenige Tage zuvor hatte sie nach eigenen Angaben einen „bahnbrechenden“ Deal mit Replica Studios, einem weiteren Entwickler für KI-Sprachmodelle, geschlossen.

Der Vertrag soll gewährleisten, dass Darsteller, die der KI ihre Stimme zu Trainingszwecken zur Verfügung stellen, im Gegenzug Kontrolle über die Verwendung ihres Sprachdoppels erhalten. Von den Synchronsprechern gab es herbe Kritik an dem Deal. Viele meinten, die Entscheidung öffne Unternehmen Tür und Tor, ihre Arbeit durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz obsolet zu machen.

Ist das nun also das Ende der Sprecherrollen? Und schließlich auch der Schauspielerei? Der Kunst schlecht­hin? Der Blick zurück zeigt: Allen Sorgen zum Trotz hat auch die Erfindung der Fotografie die Malerei nicht aussterben lassen. Der technische Fortschritt hat die Malerei vielmehr davon befreit, Wirklichkeit abbilden zu müssen – und war damit ein Angelpunkt auf dem Weg zur künst­lerischen Moderne.

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Synchronsprecher, Drehbuchautoren, Schauspieler und die Künstler im Allgemeinen werden damit rechnen müssen, dass Künstliche Intelligenz ihre Arbeit in den nächsten Jahrzehnten ähnlich grundlegend verändert, nicht aber ersetzt. Aufzuhalten ist der technische Fortschritt nicht – und die Kontrolle über das eigene Sprachdouble zu haben ist immer noch besser als eine Grand Theft Voice.

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Grand Theft Voice

4 0
17.01.2024

Als die Fotografie als neues Me­dium avancierte, fürchteten viele Künstler, das sei das Ende der Malerei. Der Historienmaler Paul Delaroche rief im Angesicht der ersten Daguerreotypie: „Von diesem Augenblick an ist die Kunst tot!“ Ähnlich sorgenvoll klingen heute die Hilferufe der Kunstschaffenden mit Blick auf die Entwicklung Künstlicher Intelligenz.

Jüngst kommen sie von den Synchronsprechern, die – wie auch die Schauspieler und Drehbuchautoren – im vergangenen Sommer monatelang ihre Arbeit niederlegten, aus Sorge, KI könne ihre Jobs ersetzen.

Dass sie nicht unbegründet ist, zeigt der Fall Ned Luke, Sprecher von Michael De Santa im Videospiel Grand Theft Auto V („Schwerer Autodiebstahl........

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