Tarifverhandlungen für die Landesbediensteten taugen weniger zum Aufreger als Gespräche über die Bezüge kommunaler Mitarbeiter, zu denen Erzieherinnen und Müllmänner zählen. Doch wenn von Mitte Februar an über die Bezüge der Beschäftigten des Landes Hessen geredet wird, geht es immerhin um die Entlohnung von 45.000 Frauen und Männern. Zudem wird der Abschluss für die Bemessung der Beamtenbesoldung herangezogen.

Hat Hessen einen guten Weg eingeschlagen, als die Landesregierung vor nahezu zwei Jahrzehnten die Tarifgemeinschaft deutscher Länder verließ, um eine eigene „Tariflandschaft“ zu formen, wie es damals vollmundig hieß? Tatsächlich ist es selbst nach dieser langen Zeit noch zu früh, darüber ein Urteil zu fällen. Der dahinter stehende Gedanke war, dass eigenständige Verhandlungen die Möglichkeit böten, die Beschäftigten abhängig von den konjunkturellen Wechsellagen besser oder schlechter zu stellen und auch sonst auf spezielle Herausforderungen in diesem Raum zu reagieren.

Die Gewerkschaften haben gegen diese Insellösung lange protestiert. Inzwischen aber ist die Forderung nach einer Rückkehr in die Tarifgemeinschaft nur noch leise zu vernehmen. Denn mit den Jahren ist es gelungen, in immer mehr Details der komplizierten Tarifverträge eine Besserstellung zu erreichen, etwa mit Kinderzuschlägen von bis zu 150 Euro im Monat. Schwer wird es nicht gewesen sein, derlei durchzusetzen. Die jeweiligen Landesregierungen wurden über die gesamte Zeit von der gleichen Partei gestellt, und der Erfinder des hessischen Sonderwegs, der damalige Innenminister Volker Bouffier (CDU), dürfte auch als Ministerpräsident ein Interesse daran gehabt haben, dass der Ankündigung der eigenständigen „Tariflandschaft“ auch Taten folgen würden.

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Ob dieser Sonderweg wirklich trägt, würde sich erst zeigen, wenn es die Haushaltslage einmal erfordern würde, den öffentlichen Dienst schlechter zu stellen als anderswo, oder wenn es umgekehrt einmal in einem stärker ausgeprägten Wettbewerbsföderalismus Gründe gäbe, mit aggressiven Boni Personal anderswo abzuwerben. Beides ist bisher nicht eingetreten, und zumindest beim erstgenannten Fall kann man froh darüber sein. So oder so sollten sich die Verhandlungspartner, wenn sie sich von Februar an gegenübersitzen, darüber klar sein, dass sie nicht über eigenes Geld zu Rate sitzen, sondern über Steuermittel, die von anderen erwirtschaftet worden sind.

QOSHE - Der hessische Sonderweg - Manfred Köhler
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Der hessische Sonderweg

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15.12.2023

Tarifverhandlungen für die Landesbediensteten taugen weniger zum Aufreger als Gespräche über die Bezüge kommunaler Mitarbeiter, zu denen Erzieherinnen und Müllmänner zählen. Doch wenn von Mitte Februar an über die Bezüge der Beschäftigten des Landes Hessen geredet wird, geht es immerhin um die Entlohnung von 45.000 Frauen und Männern. Zudem wird der Abschluss für die Bemessung der Beamtenbesoldung herangezogen.

Hat Hessen einen guten Weg eingeschlagen, als die Landesregierung vor nahezu zwei Jahrzehnten die Tarifgemeinschaft deutscher Länder verließ, um eine eigene „Tariflandschaft“ zu formen, wie es damals vollmundig hieß? Tatsächlich ist........

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