Es ist auch mit dem Abstand von zwei Wochen noch bemerkenswert, welche Aufregung zwei schlichte Schilder über der Frankfurter Freßgass’ ausgelöst haben, mit denen den mehr als 100.000 Muslimen in der Stadt „Happy Ramadan“ gewünscht wird. Auch Jahrzehnte nach dem Beginn der Einwanderung von Menschen aus der Türkei und anderen Ländern scheinen viele nicht verstanden zu haben, dass Frankfurt und das gesamte Rhein-Main-Gebiet international geprägt sind, dass der Wohlstand, von dem alle profitieren, von Bewohnern mit sehr unterschiedlichen Pässen erarbeitet wird.

Aber natürlich ist das Schild ein politisches Projekt. Die Frankfurter Stadtregierung, die es hat aufhängen lassen, wird von den Grünen, der SPD, der FDP und Volt gestellt, eingeschaltet wurde die Beleuchtung von Nargess Eskandari-Grünberg (Die Grünen), Bürgermeisterin und Dezernentin für Diversität. Man feierte sich sehr. Deshalb befremdet es in diesem Jahr mehr als sonst, wenn sich einige Tage später Nachwuchsorganisationen der Grünen, der SPD und der FDP, also weitgehend der gleichen Parteien, gegen das Verbot von Tanzveranstaltungen an Karfreitag wenden, einer Bestimmung von mehreren, mit denen dessen Charakter als stillem Feiertag Rechnung getragen wird.

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Es ließe sich argumentieren, dass Religionen unbedingte Privatsache seien – dann wäre sowohl ein staatlich finanziertes Ramadan-Schild unangebracht als auch eine Regelung für stille Feiertage. So ist Deutschland aber nicht, Religionen sind nach wie vor vielen wichtig, die Religionsausübung genießt Verfassungsrang. Und so müssen eben Nichtmuslime in Frankfurt ertragen, dass sie nun einige Wochen lang unter einem kommunalen „Happy Ramadan“-Schild einkaufen gehen, und Menschen, auch wenn sie sich nicht als Christen sehen, dass es mit Rücksicht auf deren Gefühle und Tradition an zwei Tagen im Jahr (neben Karfreitag auch am Totensonntag) ruhiger zugeht als sonst (außerdem aus anderen Gründen am Volkstrauertag).

Der Respekt gegenüber den Gefühlen anderer, der sonst von Linken andauernd beschworen wird, gilt auch in diesem Fall, und er gilt auch für andere christliche Feste im Jahreslauf. Denn auch wenn die Kirchen an Zuspruch verloren haben, auch wenn der Glaube schwindet, so dominiert die christliche Kultur Geschichte und Gegenwart weiterhin. Sie reicht tief in den Alltag hinein, sie ist im besten Sinne eine Leitkultur. Daran mag sich abarbeiten, wer will. Aber den einen mit freundlichen Gesten zu begegnen und den anderen den Respekt zu verweigern zeugt von beachtlicher Inkonsequenz.

QOSHE - Karfreitag und der Ramadan - Manfred Köhler
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Karfreitag und der Ramadan

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27.03.2024

Es ist auch mit dem Abstand von zwei Wochen noch bemerkenswert, welche Aufregung zwei schlichte Schilder über der Frankfurter Freßgass’ ausgelöst haben, mit denen den mehr als 100.000 Muslimen in der Stadt „Happy Ramadan“ gewünscht wird. Auch Jahrzehnte nach dem Beginn der Einwanderung von Menschen aus der Türkei und anderen Ländern scheinen viele nicht verstanden zu haben, dass Frankfurt und das gesamte Rhein-Main-Gebiet international geprägt sind, dass der Wohlstand, von dem alle profitieren, von Bewohnern mit sehr unterschiedlichen Pässen erarbeitet wird.

Aber natürlich ist das Schild ein politisches Projekt. Die Frankfurter Stadtregierung, die es hat aufhängen lassen,........

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