Vieles fällt einem zu dem Warnstreik ein, zu dem die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer für Freitag aufgerufen hat. Er ist maßlos in jeder Hinsicht, er dient zuvörderst der Profilierung in einem Wettstreit zweier Gewerkschaften, die um Mitglieder ringen, aber er ruft auch den Reformbedarf bei den öffentlichen Verkehrsmitteln in Erinnerung. Denn der Streik kann den Eisenbahnverkehr nur deshalb mit einer solchen Wucht treffen, weil es an der längst überfälligen Trennung des Schienennetzes einerseits vom Betrieb darauf andererseits fehlt und weil es auch an einem zureichenden Wettbewerb zwischen verschiedenen Eisenbahnunternehmen mangelt, jedenfalls im wichtigen Personenfernverkehr.

Auch wenn die Struktur der Eisenbahn so wäre, wie es der auf Wettbewerb angelegten Wirtschaftsordnung Deutschlands entsprechen sollte, könnten Beschäftigte streiken, so wie auch Angehörige anderer Berufsgruppen. Aber es wäre doch weitaus schwerer, in einem gewöhnlichen Tarifkonflikt gleich bei jeder Gelegenheit das ganze Land lahmzulegen.

Tatsache aber ist, dass auf den Fernstrecken die Deutsche Bahn nach wie vor als der einzige Spieler von Rang gelten muss – der Beitrag von Flixtrain ist minimal –, während im Nahverkehr dank der Ausschreibungen zwar verschiedene Unternehmen tätig sind, die aber wiederum nahezu überall auf dem Schienennetz der Deutschen Bahn fahren, also am Ende doch wieder von diesem Staatskonzern abhängen. Aufs Schönste zeigen sich die unzeitgemäß verklebten Strukturen an diesem Freitag im Rhein-Main-Gebiet, wenn die Hessische Landesbahn zwar einerseits mitteilt, sie werde nicht bestreikt, andererseits aber wissen lässt, ob ihre eigenen Züge verkehren könnten, sei ungewiss, weil die Lokführergewerkschaft auch die Fahrdienstleiter des Staatskonzerns zum Streik aufgerufen habe, ohne die beim Schienenverkehr gar nichts läuft.

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Mehr Wettbewerb auf der Schiene ist natürlich nicht nur eine sinnvolle Forderung, um einen Gewerkschaftsführer einzufangen, der keine Grenzen kennt. Mehr Wettbewerb auf der Schiene würde auch Kräfte freisetzen, um zusätzliche Fahrgäste zur Eisenbahn zu locken, etwa durch verschieden geartete Angebote unterschiedlicher Unternehmen anstelle der Einheitsbahn eines Konzerns, der seine Überforderung ohnedies jeden Tag aufs Neue beweist. Eine Trennung von Netz und Betrieb wäre der erste Schritt, die Ausschreibung des Fernverkehrs der zweite. Von nichts ist die Bundesrepublik gegenwärtig allerdings weiter weg. Am Freitag zahlen die Deutschen wieder einmal den Preis dafür.

QOSHE - Mehr Wettbewerb auf der Schiene - Manfred Köhler
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Mehr Wettbewerb auf der Schiene

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08.12.2023

Vieles fällt einem zu dem Warnstreik ein, zu dem die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer für Freitag aufgerufen hat. Er ist maßlos in jeder Hinsicht, er dient zuvörderst der Profilierung in einem Wettstreit zweier Gewerkschaften, die um Mitglieder ringen, aber er ruft auch den Reformbedarf bei den öffentlichen Verkehrsmitteln in Erinnerung. Denn der Streik kann den Eisenbahnverkehr nur deshalb mit einer solchen Wucht treffen, weil es an der längst überfälligen Trennung des Schienennetzes einerseits vom Betrieb darauf andererseits fehlt und weil es auch an einem zureichenden Wettbewerb zwischen verschiedenen Eisenbahnunternehmen mangelt, jedenfalls im wichtigen........

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