Eine Wippe steht vor dem alten Postbahnhof, in den die FDP am Wochenende zum Parteitag im Dienst der Wirtschaftswende geladen hat. Auf der einen Seite ist diese Wippe befrachtet mit gelben Paketen. Auf ihnen steht: Aktienrente, private Altersvorsorge, flexibler Renteneintritt. Auf der anderen Seite drei rote Pakete mit der Aufschrift: Haltelinie 48 Prozent, steigende Beiträge, Rente mit 63. Der letzte Karton steht auf dem Boden. Die Parteitagsregie hat dafür gesorgt, dass die Journalisten, die vor der Sicherheitsschleuse stehen, ausreichend Zeit haben, das Werk namens „Rentensystem in Schieflage“ zu betrachten. Es zeigt ein Übergewicht der gelben Seite – also alles gut?

In der Halle redet der Parteivorsitzende fast ausschließlich über Reformbedarf und Wirtschaftswunder. Das eine hat sich über Jahre in Deutschland aufgebaut, das andere gibt es hierzulande schon lange nicht mehr. Christian Lindner besinnt sich auf die Kernkompetenz der Liberalen. Das ist dringend notwendig.

Wie der Finanzminister selbst ausführt, ist Wachstum kein Selbstzweck. Aber wenn die Einkommen stagnieren und die Gewinne vor sich hindümpeln, fehlen dem Staat die Einnahmen, die er so dringend braucht – für Investitionen, die Stärkung der Bundeswehr, die Sozialsysteme, die unter Druck geraten, wenn die Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.

Wer verhindern will, dass Deutschland zum müden Mann der Weltwirtschaft verkommt, muss Grundsätzliches ändern. Dazu gehört nicht zuletzt ein größerer Freiraum für Bürger und Betriebe. Dass es darum derzeit nicht gut bestellt ist, spiegelt sich in einer zu hohen Abgabenlast.

Die Aktienrente ist ein zentrales Projekt der Liberalen. Sie versprechen, dass die mit Schulden erworbenen Papiere so viel Rendite abwerfen, dass die Rentenversicherung spürbar entlastet wird. Die 48-Prozent-Haltelinie ist ein Herzensprojekt der Sozialdemokraten und Teil der geplanten Rentenreform. Die FDP trägt dies mit, um ihre Aktienrente nicht zu ­gefährden. Die damit verbundene Mehrbelastung ist viel größer als die erwartete Entlastung aus der Aktienrente. So funktioniert keine Wende zum Besseren. Die FDP steht auf der Kippe. Sie muss aufpassen.

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Die FDP auf der Kippe

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28.04.2024

Eine Wippe steht vor dem alten Postbahnhof, in den die FDP am Wochenende zum Parteitag im Dienst der Wirtschaftswende geladen hat. Auf der einen Seite ist diese Wippe befrachtet mit gelben Paketen. Auf ihnen steht: Aktienrente, private Altersvorsorge, flexibler Renteneintritt. Auf der anderen Seite drei rote Pakete mit der Aufschrift: Haltelinie 48 Prozent, steigende Beiträge, Rente mit 63. Der letzte Karton steht auf dem Boden. Die Parteitagsregie hat dafür gesorgt, dass die Journalisten, die vor der Sicherheitsschleuse stehen, ausreichend........

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