Mit etwas Abstand lässt sich aufatmend feststellen, dass in der Frankfurter Silvesternacht nichts Schlimmeres passiert ist. Wirklich? An der Konstablerwache warfen Randalierer Feuerwerkskörper auf Passanten und attackierten einen Lautsprecherwagen der Polizei, in der Nordweststadt wurden Feuerwehrleute bei Löscharbeiten attackiert, am Mainufer Lebensretter von der DLRG angegriffen. So weit ein Auszug aus der vorläufigen Bilanz der Polizei.

Die Polizei bewertet diese Vorfälle selbst als „ganz normalen Wahnsinn“. In einer anderen Mitteilung hieß es, „natürlich“ sei auch wieder Pyrotechnik zu Angriffen auf Menschen verwendet worden. So hart es ist: Man muss die Ereignisse tatsächlich in Relation setzen, was nicht heißt, sie zu entschuldigen. Zehntausende haben den Jahreswechsel auf den Frankfurter Plätzen und Straßen gefeiert. Die allermeisten taten das fröhlich und friedlich, obwohl sich an manchen Orten wie am Hauptbahnhof, auf der Zeil oder am Mainufer die Menschenmengen drängten.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der glimpfliche Ablauf der Silvesternacht zu einem guten Teil dem aufwendigen und konsequenten Polizeieinsatz zu verdanken ist. In der Stadt waren 600 Polizisten unterwegs – zusätzlich zu den Kollegen, die sich ohnehin im Dienst befanden. 548 Personen wurden kontrolliert, 153 Platzverweise ausgesprochen und 46 Personen vorübergehend festgenommen. Wäre die Polizei nicht immer wieder frühzeitig eingeschritten, dann wäre es höchstwahrscheinlich schlimmer gekommen.

So kann man über den Verlauf des Jahreswechsels erleichtert sein, vor allem mit Blick auf Gewaltexzesse, die sich in früheren Jahren und anderen Städten wie Köln und Berlin ereignet haben. Aber man kann damit nicht zufrieden sein. Es ist nicht „normal“ oder „natürlich“, mit Feuerwerkskörpern auf Unbeteiligte oder Einsatzkräfte zu schießen.

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Die Aufarbeitung der Vorkommnisse wird auch dadurch erschwert, dass die Sicherheitsbehörden keine Angaben zur sozialen und kulturellen Herkunft der Täter machen. Das sei politisch nicht gewollt, heißt es. Die Sorge, die dahinter steckt, mag Gründe haben. Aber durch Verschweigen ist noch kein gesellschaftliches Problem gelöst worden.

QOSHE - Ganz normaler Wahnsinn - Matthias Trautsch
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Ganz normaler Wahnsinn

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02.01.2024

Mit etwas Abstand lässt sich aufatmend feststellen, dass in der Frankfurter Silvesternacht nichts Schlimmeres passiert ist. Wirklich? An der Konstablerwache warfen Randalierer Feuerwerkskörper auf Passanten und attackierten einen Lautsprecherwagen der Polizei, in der Nordweststadt wurden Feuerwehrleute bei Löscharbeiten attackiert, am Mainufer Lebensretter von der DLRG angegriffen. So weit ein Auszug aus der vorläufigen Bilanz der Polizei.

Die Polizei bewertet diese Vorfälle selbst als „ganz normalen Wahnsinn“. In einer anderen Mitteilung hieß es, „natürlich“ sei auch wieder Pyrotechnik........

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