Die Lage für die Linke ist dramatisch, die Fraktion im Bundestag zur Gruppe geschrumpft, und in den Umfragen ist die Fünfprozenthürde weit weg. Die Partei aber macht einfach weiter wie bisher. Sie streitet sich über den zukünftigen Kurs, auch ohne Sahra Wagenknecht. Man kann der Linken also nicht vorwerfen, dass sie sich untreu wird.

Während die einst berühmteste Linke als Vorsitzende der eigenen Partei weiter das Licht der Öffentlichkeit genießt, ganz zu schweigen von dem Zuspruch in den Umfragen, suchten die verbliebenen 28 Linke-Abgeordneten im Bundestag gerade eine Führung für ihre Gruppe. Weil es wie zuletzt bei der Fraktion nicht gelungen war, die Nachfolge von Dietmar Bartsch und der mit Wagenknecht abgewanderten Amira Mohamed Ali vorab und einvernehmlich zu klären, kam es zu Kampfabstimmungen: Mit dem denkbar knappsten Ergebnis von jeweils nur einer Stimme Mehrheit setzten sich zwei außerhalb der Linken-Blase bislang kaum bekannte Abgeordnete durch: Sören Pellmann und Heidi Reichinnek.

Wenn man die Linke nicht gut kennen würde, könnte man meinen, nun sei doch zumindest eine Entscheidung getroffen, weiter geht’s, und die neuen Vorsitzenden haben sich ja auch gleich versöhnlich gezeigt und gesagt, was man eben so sagt: Brücken bauen! Nur stehen die erfolgreichen Kandidaten für eine ganz andere Linke als die unterlegenen. Während die beiden siegreichen Kandidaten eher den – vor allem ostdeutsch geprägten – Realos in der Partei zugeordnet werden, zählen die anderen beiden zu den Bewegungslinken. Das sind zwei sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Linke aussehen und wer sie wählen soll.

Die Bewegungslinken träumen von einer bunten und jungen Linken, die beim Klimaschutz vorangeht und Flüchtlinge mit offenen Armen empfängt. Das deckt sich mit der Linie der Parteiführung, die glaubt, hier eine Marktlücke entdeckt zu haben – auf Kosten der Grünen. Diese Bewegungslinken kritisierte schon Wagenknecht. Aber auch andere in der Partei haben Probleme mit diesem Kurs. Vor allem im Osten fragen sie, wie man so bestehen will bei den Landtagswahlen im Spätsommer. Dieser Streit schwelt schon lange.

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Auch hier also bleibt die Linke sich treu. Die Führung der Partei und die Bundestagsabgeordneten wollen in sehr unterschiedliche Richtungen laufen. Und wie die beiden Lager zueinanderfinden wollen, ist bisher nicht abzusehen.

QOSHE - Links liegen gelassen - Matthias Wyssuwa
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26.02.2024

Die Lage für die Linke ist dramatisch, die Fraktion im Bundestag zur Gruppe geschrumpft, und in den Umfragen ist die Fünfprozenthürde weit weg. Die Partei aber macht einfach weiter wie bisher. Sie streitet sich über den zukünftigen Kurs, auch ohne Sahra Wagenknecht. Man kann der Linken also nicht vorwerfen, dass sie sich untreu wird.

Während die einst berühmteste Linke als Vorsitzende der eigenen Partei weiter das Licht der Öffentlichkeit genießt, ganz zu schweigen von dem Zuspruch in den Umfragen, suchten die verbliebenen 28 Linke-Abgeordneten im Bundestag gerade eine Führung für ihre Gruppe. Weil es wie zuletzt bei der Fraktion nicht gelungen........

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