Im Studio der abendlichen Nachrichtensendungen richten sich alle Augen auf diejenigen, für die es im Amerikanischen den Begriff „Anchor“ gibt. Der Anchorman oder die Anchorwoman führt uns durch die Nachrichtenlandschaft. Hauptmode­ratorin heißt das im hiesigen Slang. Daneben gibt es als Sidekick den Mann oder die Frau, der oder die die kurzen Nachrichten verliest, eventuell jemandem für den Sport und den mal lustigen (Sven Plöger in der ARD), mal aktivistischen Wetteronkel (Özden Terli).

Aber mittendrin, mit Spannung erwartet und strengem Blick der Zuschauer auf die Garderobe und die Wortwahl steht dann eben sie – Jessy Wellmer, die neue Moderatorin der „Tagesthemen“, die am Montagabend dort ihren ersten Durchlauf absolviert.

„Herzlich willkommen“, sagt sie. „Schön, dass Sie dabei sind. Ich freue mich sehr, Ihnen die ,Tagesthemen‘ präsentieren zu können.“ Sie ist aber nicht die Einzige, die sich an diesem Abend freut. Ihre Kollegin Judith Rakers freut sich mit und tut das zu Beginn der Sendung auch kund: „Und darüber freuen wir uns auch. Schönen guten Abend auch von mir.“

Das ist vielleicht eine Spur zu viel der aufgesetzten, ARD-familiären Fröhlichkeit, denken wir uns, zumal die unmittelbar folgenden Nachrichtenbeiträge für erfreute Mienen keinen Anlass bieten, die Stücke über den Krieg zwischen Israel und der Hamas schon gar nicht. Im Interview mit der aus Marokko zugeschalteten Innenminis­terin Nancy Faeser, die – nicht ganz widerspruchsfrei – erläutert, warum es sinnvoll sei, mit dem Land ein Sicherheitsabkommen zu schließen, zeigt Jessy Wellmer, dass sie für so etwas nicht zum ersten Mal vor der Kamera steht. Sie lässt sich von Faesers Eingangskompliment („Herzlichen Glückwunsch zur ersten Sendung“) nicht beirren und hakt dezent nach. So unspektakulär stellt man sich das vor.

Es muss sich schließlich nicht jeden Abend in den TV-Nachrichten eine Ministerin um Kopf und Kragen reden wie es Annalena Baerbock vor mehr als zwei Wochen im ZDF tat. Die israelische Regierung hatte da die Außenminister befreundeter Regierungen gerade über die Gräuel des Hamas-Massakers informiert. Und Mo­derator Christian Sievers wollte wissen, warum die Bundesregierung deutsche Staatsangehörige nicht, wie andere Nationen auch, mit Militär­flügen außer Landes bringe. Da ging es bei Baerbock derart durcheinander, dass ihr das ZDF die letzten Minuten des aufgezeichneten Interviews im „heute journal“ ersparte. In der Mediathek kann man es sich in Gänze ansehen.

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In der ARD indes, bei den „Tagesthemen“, sollte Jessy Wellmer am Dienst gleich weitermachen. „Morgen sehen Sie mich gleich noch mal, wenn sie mögen“, sagt Jessy Wellmer. Und was sagt Judith Rakers? „Also, ich mag.“

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31.10.2023

Im Studio der abendlichen Nachrichtensendungen richten sich alle Augen auf diejenigen, für die es im Amerikanischen den Begriff „Anchor“ gibt. Der Anchorman oder die Anchorwoman führt uns durch die Nachrichtenlandschaft. Hauptmode­ratorin heißt das im hiesigen Slang. Daneben gibt es als Sidekick den Mann oder die Frau, der oder die die kurzen Nachrichten verliest, eventuell jemandem für den Sport und den mal lustigen (Sven Plöger in der ARD), mal aktivistischen Wetteronkel (Özden Terli).

Aber mittendrin, mit Spannung erwartet und strengem Blick der Zuschauer auf die Garderobe und die Wortwahl steht dann eben sie – Jessy Wellmer, die neue Moderatorin der „Tagesthemen“, die am Montagabend dort ihren ersten Durchlauf........

© Frankfurter Allgemeine


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