Es war im Jahr 2017, als sich die ARD ein „Framing“-Gutachten erstellen ließ. Das Papier kostete mit allem Drum und Dran rund 120.000 Euro und war Geheimsache. Es erklärte, wie sich der Senderverbund am besten verkaufen sollte, was Mitarbeiter zu sagen und nicht zu sagen hätten. Um „Narrative, Schlagwörter und Slogans“ ging es da; es ging darum, sich selbst als moralisch höherwertig zu präsentieren und die Konkurrenz abzuwerten. Wobei wir darauf wetten würden, das genau diese Tour nicht funktioniert, sondern für verstärkten Widerwillen sorgt.

Wie das Framing im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aussieht und sich anhört, ist indes keine Geheimsache. Man muss nur einschalten. Dann hört man zum Beispiel auf dem Radiokanal hr-info ein Interview mit dem stellvertretenden Landesvorsitzenden der SPD in Hessen, Kaweh Mansoori, der zu der in Wiesbaden sich erstaunlicherweise anbahnenden schwarz-roten Koalition Stellung nehmen soll.

Das Gespräch steht unter dem Vorzeichen, was die SPD zu verlieren oder aufzugeben habe, was angesichts des Umstands, dass die Partei im Hessischen Landtag ein Vierteljahrhundert auf der Oppositionsbank saß und nun, trotz eines schlechten Wahlergebnisses, mit an die Regierung kommt, einigermaßen erstaunlich ist.

Es gebe ja angeblich große Schnittmengen zwischen CDU und SPD, hören wir die Radiomoderatorin sagen, das klinge schwer nach Kompromiss. Doch seien Kompromisse das, was Hessen jetzt gerade brauche? Ja, antworten wir an dieser Stelle, Koalitionen zwischen verschiedenen Parteien sind immer ein Kompromiss, der Kompromiss zählt zum Wesen der Demokratie, wer kompromisslos agiert oder unfähig zum Kompromiss ist, empfiehlt sich nach demokratischen Gepflogenheiten nicht.

Wo die grünen Themen blieben, wird noch gefragt und warum der Klimawandel nur eine nachrangige Rolle im Eckpunktepapier von CDU und SPD in Hessen spiele. Das geht so weiter bis zu der Frage, ob die Sozialdemokraten nicht besser in der Opposition blieben, dort mehr erreichten und eben nicht für Boris Rhein den „Steigbügelhalter“ spielten.

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Kritische Fragen waren das nicht, inhaltlich wurde Mansoori nicht gefordert, er spulte locker sozialdemokratisches Standardprogramm ab. Eine vom Politikverständnis her recht unterkomplexe Herangehensweise war das, mit dem Tenor: Diese Regierung (ohne die Grünen) ist schon von gestern, bevor sie angefangen hat. Öffentlich-rechtliches Framing vom Feinsten.

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Steigbügelhalter gesucht

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13.11.2023

Es war im Jahr 2017, als sich die ARD ein „Framing“-Gutachten erstellen ließ. Das Papier kostete mit allem Drum und Dran rund 120.000 Euro und war Geheimsache. Es erklärte, wie sich der Senderverbund am besten verkaufen sollte, was Mitarbeiter zu sagen und nicht zu sagen hätten. Um „Narrative, Schlagwörter und Slogans“ ging es da; es ging darum, sich selbst als moralisch höherwertig zu präsentieren und die Konkurrenz abzuwerten. Wobei wir darauf wetten würden, das genau diese Tour nicht funktioniert, sondern für verstärkten Widerwillen sorgt.

Wie das Framing im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aussieht und sich anhört, ist indes keine........

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