Was Facebook und Google können, Amazon und Apple, Microsoft und X, das kann Tiktok schon lange: Sich mit aller Macht dagegen wehren, an den Maßstäben von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemessen zu werden. Wer in der digitalen Welt die Macht hat, und das sind neben Staatsdiktatoren die Konzerne, will diese nicht begrenzt sehen. Erst recht nicht, wenn, wie im Fall von Tiktok, die weltumspannende Plattform in einer Diktatur beheimatet ist.

Da zeigt man dann Politikern, die auf die Idee kommen, man müsse die Macht des nur auf den allersten Blick kunterbunten Kurzvideonetzwerks begrenzen, die Werkzeuge.

So geschehen in der vergangenen Woche. Da schickte Tiktok seinen Nutzern in den USA die Nachricht, dass der Kongress „ein totales Verbot von Tiktok“ plane. Auf dem Display erschien ein Knopf, wer ihn antippte, wurde mit dem Büro des in seinem Bezirk gewählten Abgeord­neten direkt verbunden. In den Büros liefen, wie die Website „The Infor­mation“ berichtete, die Drähte dermaßen heiß, dass nichts anderes blieb, als die Leitungen zu schließen.

Das war eine kleine Machtdemonstration ge­gen den Plan, den sowohl demokratische als auch republikanische Abgeordnete verfolgen. Sie wollen die chinesische Firma Bytedance, der Tiktok gehört, zwingen, binnen sechs Monaten die Kontrolle über den Kurzvideodienst abzugeben, sonst könnte Tiktok verboten werden. Der Energie- und Handelsausschuss des Repräsentantenhauses hat den entsprechenden Gesetzentwurf am vergangenen Donnerstag einstimmig verabschiedet.

Das war der Tag, an dem Tiktok seine 170 Millionen Nutzer in den USA aufforderte, den Politikern die Bude einzurennen. Der Firmensitz liege auf den Cayman-Inseln, und westliche Investoren hielten die Mehrheit an dem Konzern, führt Bytedance zu seinen Gunsten an, nach dem Motto: Wir sind ganz harmlos. Doch das ist Augenwischerei. Die Zentrale von Bytedance ist in Peking beheimatet, und es bestehen enge Verbindungen zur Kommunistischen Partei Chinas. Der Kanal ist für die chinesische Regierung ein unfassbarer Daten- und Propagandaschatz.

Was auf Tiktok so läuft, hat unlängst die Bildungsstätte Anne Frank mit Blick auf grassierenden Antisemitismus dargelegt. Da gibt es Hetze und Terrorpropaganda in Reinkultur oder auch formschön verpackt. Und das ist nur ein Aspekt. Ex­tremisten jeder Couleur haben Tiktok längst für sich entdeckt. Lebensgefährliche „Challenges“, die auf Tiktok populär werden, kosten Kinder und Jugendliche das Leben.

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Und über allem liegt der sanfte Nebel scheinbarer Unterhaltsamkeit. Aktuelle Trends nennen sich #sadhamster oder #floortime. Der traurige Hamster drückt die eigene Stimmung und die Suche nach Zuspruch aus; mit dem Bodenkontakt ist der Rat verbunden, man möge sich einfach mal auf den Boden legen, auch nur kurz, um zu entspannen. Im Umgang mit Tiktok ist Entspannung indes nicht angesagt. Und traurige Hamster helfen auch nicht.

QOSHE - Tiktok demonstriert seine Macht - Michael Hanfeld
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Tiktok demonstriert seine Macht

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12.03.2024

Was Facebook und Google können, Amazon und Apple, Microsoft und X, das kann Tiktok schon lange: Sich mit aller Macht dagegen wehren, an den Maßstäben von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemessen zu werden. Wer in der digitalen Welt die Macht hat, und das sind neben Staatsdiktatoren die Konzerne, will diese nicht begrenzt sehen. Erst recht nicht, wenn, wie im Fall von Tiktok, die weltumspannende Plattform in einer Diktatur beheimatet ist.

Da zeigt man dann Politikern, die auf die Idee kommen, man müsse die Macht des nur auf den allersten Blick kunterbunten Kurzvideonetzwerks begrenzen, die Werkzeuge.

So geschehen in der vergangenen Woche. Da schickte Tiktok seinen Nutzern in den USA die Nachricht, dass der Kongress „ein totales Verbot von Tiktok“ plane. Auf dem........

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