Es ist immer wieder erstaunlich, wen das öffentlich-rechtliche Fernsehen vor die Kamera bekommt, wenn es um Land und Leute geht. Eigene Mitarbeiter zum Beispiel, die als solche nicht ausgewiesen werden. Das war vor einiger Zeit beim Westdeutschen Rundfunk so, als eine junge Producerin sich im Supermarkt von der Aktion des Discounters Penny begeistert zeigte, aus vermeintlichen Umweltgründen die Preise anzuheben.

Der Beitrag lief in der „Tagesschau“ und brachte dem Sender jede Menge Kritik ein. „Kolleginnen oder Kollegen zu interviewen, ohne die Zugehörigkeit transparent zu machen, verstößt gegen unsere journalistischen Standards“, teilte der WDR daraufhin mit, beseitigte den Fehler und entschuldigte sich. Bis zum Hessischen Rundfunk hat sich das leider nicht herumgesprochen, wie man in den vergangenen Tagen sehen konnte.

Da interviewte die „Hessenschau“ eine Frau anlässlich der „Demo gegen rechts“ in Frankfurt. Hadija Haruna-Oelker gehöre der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ an, hieß es. Sie hielt eine Rede, und sie ließ sich vom HR interviewen. Dass sie freie Mitarbeiterin des Senders ist, und zwar nicht erst seit gestern, und mit publizistischer Wirkung, erfuhren die Zuschauer nicht. Auch hier musste dem Sender auf die Sprünge geholfen werden. Hadija Haruna-Oelker sei „auch als freie Mitarbeiterin für den Hessischen Rundfunk tätig“, teilte die „Hessenschau“ schließlich mit. „Das hätten wir im Beitrag kenntlich machen müssen. Wir bedauern den Fehler.“ Hadija Haruna-Oelker sei „selbst weder an der Erstellung noch an der Abnahme des Beitrags beteiligt“ gewesen.

Dass sie für den HR wirkt, dürfte dort freilich nicht unbekannt gewesen sein. Die Folgen solcher Camouflagen sind nachhaltig. Die Sender stehen im Regen, mehr noch die Betroffenen, die vor die Kamera getreten sind. Sie erlebe nun einen Shitstorm von rechts, sagte Hadija Haruna-Oelker der „Frankfurter Rundschau“, für die sie auch schreibt. Sie sei „in der erklärten Rolle interviewt“ worden: „Also in der Funktion als Rednerin und Expertin für Rassismus, Diskriminierung und einer kritischen Erinnerungskultur.“ Im Zusammenhang mit ihrem Auftritt auf der Bühne müsste, so meint Hadija Haruna-Oelker, „also trotz der fehlenden zusätzlichen Untertitelung, dass ich HR-Mitarbeiterin bin, klar sein, dass ich nicht einfach ‚nur‘ eine vermeintlich anonyme Demonstrierende war. Aber genau hier setzt der rechte Frame an, und ich wurde damit Mittel zum Zweck für ein Bashing der öffentlich-rechtlichen Sender.“

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An der Stelle freilich steht „Frame“ gegen „Frame“. Kritik „von rechts“ am öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es, mit dem Ziel, ihn aus den Angeln zu heben. Kritik daran, dass Sender den Eindruck vermitteln, sie gäben ihre eigenen Mitarbeiter als Jedermänner und Jederfrauen von der Demo oder im Supermarkt aus, übten sich also in einer „Wir sind das Volk“-Simulation, ist nicht per se „rechts“, sondern – berechtigt. In dem Nachrichtenfilm zur „Demo gegen Rechts“ ist Hadija Haruna-Oelker nun als „HR-Mitarbeiterin“ ausgewiesen. Es ist ganz einfach.

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Volkes Stimme kommt aus dem Sender

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30.01.2024

Es ist immer wieder erstaunlich, wen das öffentlich-rechtliche Fernsehen vor die Kamera bekommt, wenn es um Land und Leute geht. Eigene Mitarbeiter zum Beispiel, die als solche nicht ausgewiesen werden. Das war vor einiger Zeit beim Westdeutschen Rundfunk so, als eine junge Producerin sich im Supermarkt von der Aktion des Discounters Penny begeistert zeigte, aus vermeintlichen Umweltgründen die Preise anzuheben.

Der Beitrag lief in der „Tagesschau“ und brachte dem Sender jede Menge Kritik ein. „Kolleginnen oder Kollegen zu interviewen, ohne die Zugehörigkeit transparent zu machen, verstößt gegen unsere journalistischen Standards“, teilte der WDR daraufhin mit, beseitigte den Fehler und entschuldigte sich. Bis zum Hessischen Rundfunk hat sich das leider nicht herumgesprochen, wie man in den vergangenen Tagen sehen konnte.

Da interviewte die........

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