Deutschland, Land der Pferde, Weltmacht der Reiterinnen und Reiter. Und doch wird hier der Gaul immer wieder von hinten aufgezäumt. Gerade hat der Haushaltsausschuss des Bundestages Nancy Faeser, der Innenministerin, bei der Reform von Finanzierung und Steuerung des Spitzensports in die Zügel gegriffen. Die sogenannte Unabhängige Agentur, die sie dafür schaffen will, wird so bald nicht kommen.

Von dem Geld, das für die Gründung im kommenden Jahr vorgesehen war, 600.000 Euro, steht lediglich ein Drittel im Haushalt, und dies auch nur zur Ansicht. Zugriff erhält das Ministerium erst, sobald in den Kontrollgremien Platz für Vertreter des Parlaments geschaffen ist, was bisher nicht vorgesehen war. Die Haushälter nutzten die Gelegenheit, eine Reihe weiterer Bedingungen zu stellen.

Seit Thomas de Maizière 2015 in der F.A.Z. ein Drittel mehr Medaillen forderte als Gegenleistung für die Erhöhung der Spitzensportförderung durch sein Haus, mühen sich Sport und Innenministerium durch den Parcours einer Spitzensportreform. Ob der Sport dabei erfolgreich war, hängt vom Maßstab ab.

Bei Olympischen Spielen ist von Rio 2016 bis Tokio 2021 ein Rückgang bei den Medaillen zu bilanzieren: von 42, davon 17 goldenen, auf 37 und 10. Medaillenzähler ohne Sinn für den verschärften Antidopingkampf in Deutschland sprechen vom Niedergang seit den goldenen Tagen von Barcelona 1992, als die jung vereinte Mannschaft auf 33 Olympiasiege und 82 Medaillen kam, mehr als die von Rio und Tokio zusammen. Ein Erfolg für den Sport ist, dass sich die Förderung allein aus dem Innenministerium, seit de Maizière mit der Peitsche knallte, fast verdreifacht hat, auf gut 300 Millionen Euro.

Inzwischen sitzt Nancy Faeser im Sattel. Sie wollte die schwierigsten Hindernisse im Galopp nehmen: Entbürokratisierung, am Potential orientierte Förderung, Konzentration von Athleten wie von Geldmitteln, Aufschwung durch ein Sportfördergesetz. Nun wird es vermutlich nichts werden mit dem Beginn der Arbeit der Agentur vor der Bundestagswahl 2025. Sportfunktionäre ballen deshalb die Faust in der Tasche. Was wird werden aus ihren Vereinbarungen mit der Politik?

Einige machen kein Hehl aus ihrer Erwartung, dass die Regierung den Abgeordneten der Regierungsfraktion SPD diszipliniert, der ihnen die Strafrunden eingebrockt hat. Sie unterschätzen allerdings den Zusammenhalt der Parlamentarier. Die werden durchsetzen, dass zunächst die Ziele der Reform zu definieren sind. Dies ist längst in die Hände von Deutschem Olympischem Sportbund und der Athletenvertretung Athleten Deutschland gelegt. Die Diskussion soll im nächsten Jahr beginnen.

Im Jahr acht der Reform rutscht diese wichtige Auseinandersetzung ohne Terminverschiebung vom Ende dorthin, wo sie hingehört: an den Anfang des Prozesses. Endlich wird diskutiert werden, ob die staatliche Spitzensportförderung Deutschlands einzig und allein auf den Medaillenspiegel abzielen soll. Ob sie nicht eher der Vermittlung einer nationalen oder gesellschaftlichen Identität dienen soll, der Integration, der Vermittlung von Leistungsbereitschaft und Fairness.

Und ob sie nicht zuerst Vorbildwirkung mit dem Effekt entfalten soll, Menschen für Sport zu gewinnen und zur Gesundheitsförderung beizutragen. Das alles regte vor fünfzehn Monaten, im August 2022, Athleten Deutschland mit der Analyse an: „Warum ist es uns das wert?“ Sportlerinnen und Sportler fordern einen neuen Gesellschaftsvertrag zu ihrer Förderung.

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Nein, es ist nicht so, dass einen einzelnen Abgeordneten der Hafer sticht: Die Forderung nach einer zeitgemäßen Legitimierung der staatlichen Förderung ist nicht der Pferdefuß des Spitzensports.

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Richtig aufgezäumt

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21.11.2023

Deutschland, Land der Pferde, Weltmacht der Reiterinnen und Reiter. Und doch wird hier der Gaul immer wieder von hinten aufgezäumt. Gerade hat der Haushaltsausschuss des Bundestages Nancy Faeser, der Innenministerin, bei der Reform von Finanzierung und Steuerung des Spitzensports in die Zügel gegriffen. Die sogenannte Unabhängige Agentur, die sie dafür schaffen will, wird so bald nicht kommen.

Von dem Geld, das für die Gründung im kommenden Jahr vorgesehen war, 600.000 Euro, steht lediglich ein Drittel im Haushalt, und dies auch nur zur Ansicht. Zugriff erhält das Ministerium erst, sobald in den Kontrollgremien Platz für Vertreter des Parlaments geschaffen ist, was bisher nicht vorgesehen war. Die Haushälter nutzten die Gelegenheit, eine Reihe weiterer Bedingungen zu stellen.

Seit Thomas de Maizière 2015 in der F.A.Z. ein Drittel mehr Medaillen forderte als Gegenleistung für die Erhöhung der Spitzensportförderung durch sein Haus,........

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