Alle Jahre wieder. Sobald sich ein Zirkus in Wiesbaden oder andernorts ankündigt, der dressierte Tiere in der Manege zeigen will, regt sich Widerstand. In den sozialen Netzwerken werden Verbote gefordert, und es wird zu Demonstrationen aufgerufen. Ginge es nach den radikalen Aktivisten der Tierschützer-Szene, dürften Tiere ohnehin nicht in Gehegen und Käfigen gehalten oder öffentlich gezeigt werden. Egal ob im Zirkus oder im Zoo.

Wer zur Vermenschlichung der Tiere neigt, der mag einem Verbot der Zurschaustellung von Löwen oder Elefanten viele positive Seiten abgewinnen können. Doch geht es hier weniger um Gefühle als um gute, überzeugende Argumente, die es zu erörtern gilt. In allererster Linie geht es um das Wohl der Tiere.

Sofern deren Haltung nachweislich psychische oder physische Probleme zur Folge hat, muss sie überdacht werden. Tatsache ist aber auch, dass viele Zirkus- und Zootiere deutlich älter werden als in freier Wildbahn, weil sie dem täglichen Überlebenskampf entzogen sind. Wer Wildtiere außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes hält – das gilt beispielsweise auch für die Wüstenmaus oder die Schlange im heimischen Terrarium –, der übernimmt Verantwortung. Er muss ein Auge auf mögliche Verhaltensstörungen haben. Und die Haltung muss tadellos sein und allen Ansprüchen genügen. Wenn dagegen – wie offenbar in Wiesbaden – verstoßen wird, dann erfüllt die Veterinärbehörde ihre Aufgabe, wenn sie einschreitet.

Ansonsten gilt: Schausteller und Dompteure genießen Berufsfreiheit unter den Schranken der geltenden Gesetze. Zirkusse haben eine lange Tradition und dürfen sich zu den Kulturgütern eines Landes zählen, und ja: die Dressur von Tieren und ihr Auftritt in der Manege ist eine besondere Form der Unterhaltung, die unverändert viele Anhänger hat.

Wer mit Kindern eine Zirkusvorstellung besucht, der weiß, welchen Eindruck gerade die Dompteure mit ihren Tieren hinterlassen. Dass echte Raubkatzen mit Disneys „König der Löwen“ wenig gemein haben, bedarf nach einem Zoo- oder Zirkusbesuch kaum noch einer Erläuterung. Die schon erwähnte „Vermenschlichung“ der Tiere, die sich am Umgang vieler Bürger mit ihren Hunden und Katzen tagtäglich zeigt, verkompliziert zunehmend das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Diskussionen werden müßig, wenn zwischen Haus-, Nutz- und Wildtieren nicht mehr unterschieden wird.

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Im Fall des Wiesbadener Zirkus geht es aber nicht um philosophische Aspekte. Es gibt klare Regeln, die einzuhalten sind. Dass selbst der Zirkusdirektor mit der Löwenhaltung durch dem Dompteur nicht einverstanden war, spricht Bände. Wer dem Zirkus mit Löwe und Co. eine Chance geben will, der muss zuallererst das Tierwohl im Blick haben. Wird es ausreichend beachtet, haben auch Löwen einen Platz in der Manege.

QOSHE - Auch wilde Tiere gehören in die Manege - Oliver Bock
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Auch wilde Tiere gehören in die Manege

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21.12.2023

Alle Jahre wieder. Sobald sich ein Zirkus in Wiesbaden oder andernorts ankündigt, der dressierte Tiere in der Manege zeigen will, regt sich Widerstand. In den sozialen Netzwerken werden Verbote gefordert, und es wird zu Demonstrationen aufgerufen. Ginge es nach den radikalen Aktivisten der Tierschützer-Szene, dürften Tiere ohnehin nicht in Gehegen und Käfigen gehalten oder öffentlich gezeigt werden. Egal ob im Zirkus oder im Zoo.

Wer zur Vermenschlichung der Tiere neigt, der mag einem Verbot der Zurschaustellung von Löwen oder Elefanten viele positive Seiten abgewinnen können. Doch geht es hier weniger um Gefühle als um gute, überzeugende Argumente, die es zu erörtern gilt. In allererster Linie geht es um das Wohl der........

© Frankfurter Allgemeine


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