Der Bundesverkehrsminister reist am 18. Dezember an, sein bald aus dem Amt scheidender hessischer Amtskollege sowieso. Auch der Wiesbadener Oberbürgermeister fehlt nicht. Wenn am Montagnachmittag die Südhälfte der neuen Salzbachtalbrücke der A66 für den Verkehr feierlich freigegeben wird, dann wird es an Prominenz nicht fehlen. Doch ist die Wiederherstellung des Normalzustands ein Grund zum Feiern?

In den sozialen Netzwerken ist der offizielle Freigabetermin als „Selbstbeweihräucherung“ der Politik auf Kritik gestoßen. Falsch ist allerdings die verbreitete Vermutung, die Brücke hätte ohne den Festakt noch früher freigegeben werden können. Tatsächlich wird wohl bis zur letzten Minute noch an dem Bauwerk gewerkelt.

Gleichwohl hätte es genügend Gründe gegeben, die Brücke ohne viel Aufhebens unter Verkehr zu nehmen. Dass es überhaupt zu der Havarie im Juni 2021 kam, ist eine Folge vieler beklagenswerter Versäumnisse und Ausdruck eines fahrlässigen Umgangs mit der Verkehrsinfrastruktur. Die Dringlichkeit des Neubaus war bekannt, doch wurde das Projekt auf die lange Bank geschoben. Der Abriss hätte schon einige Jahre früher geschehen müssen, und bei gutem Willen aller Beteiligten hätte der Neubau schneller bewerkstelligt werden können.

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Doch die zunächst avisierte Bauzeit von maximal 14 Monaten musste die Autobahn GmbH im Lauf der Zeit ebenso korrigieren wie die Kosten, die von zuletzt 150 auf 220 Millionen Euro gestiegen sind. Das Drama um die Brücke über das Salzbachtal darf als Mahnung verstanden werden, frühzeitiger und massiver in den Erhalt und den Ausbau von Verkehrswegen zu investieren.

Allen Mängeln und Versäumnissen zum Trotz: Es darf gefeiert werden, dass die Pendler nicht noch mehr unnütze Lebenszeit im innerstädtischen Stau verbringen, dass Wohnquartiere nicht noch länger als Schleichwege missbraucht werden und dass Wiesbaden und der Rheingau mit dem Auto wieder „normal“ erreichbar sind. Das ist in jeder Hinsicht ein Gewinn. Also genügend Anlass, am Montagabend eine Flasche Sekt zu köpfen.

QOSHE - Ein Glas Sekt nach der Freigabe - Oliver Bock
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Ein Glas Sekt nach der Freigabe

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16.12.2023

Der Bundesverkehrsminister reist am 18. Dezember an, sein bald aus dem Amt scheidender hessischer Amtskollege sowieso. Auch der Wiesbadener Oberbürgermeister fehlt nicht. Wenn am Montagnachmittag die Südhälfte der neuen Salzbachtalbrücke der A66 für den Verkehr feierlich freigegeben wird, dann wird es an Prominenz nicht fehlen. Doch ist die Wiederherstellung des Normalzustands ein Grund zum Feiern?

In den sozialen Netzwerken ist der offizielle Freigabetermin als „Selbstbeweihräucherung“ der Politik auf Kritik gestoßen. Falsch ist allerdings die verbreitete........

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