Es ist ein bedenklicher Weg, den das Linksbündnis in Wiesbaden einschlägt. Die gerade noch moderate Erhöhung der Gewerbesteuer und die drastische Anhebung des Kurbeitrags für alle Übernachtungsgäste sind Ausdruck einer ökonomisch bedenklichen Ausrichtung der Kooperation.

Dass Geld in einer Stadt von den Bürgern und Unternehmen erst erwirtschaftet werden muss, ehe es von der Politik mit vollen Händen ausgegeben werden kann, ist eine Weisheit, die von der parlamentarischen Mehrheit in Wiesbaden mit selbstbewusster Ignoranz zur Seite gewischt wird. Von einer nachhaltigen Finanzpolitik kann in der Landeshauptstadt keine Rede mehr sein. Eher von einer finanzpolitischen Geisterfahrt.

Dass die Ausgaben noch schneller steigen als die üppigen Einnahmen und das strukturelle Defizit immer größer wird, böte genügend Anlass zum Nachdenken. Doch das Bündnis ist zufrieden, wenn die Sozialverbände und die Kulturinitiativen nicht mehr protestieren. Die Unwucht innerhalb der Rathauskooperation spiegelt sich in einer Unwucht im Haushalt wider. Die Rücklagen, die 2021 noch mehr als 200 Millionen Euro betragen haben, werden im Eiltempo aufgezehrt, und die noch verbliebenen Löcher werden hastig mit wenig durchdachten Kürzungen und mit Gebühren- und Steuererhöhungen gestopft. Der Etatentwurf steht deshalb auf tönernen Füßen.

Mehr zum Thema

1/

Teure Abgabe in Wiesbaden : Hotels wehren sich gegen höhere Kurbeiträge

Kloster Eberbach : Statt Museum mehr Hotelbetten und eine Erlebniswelt

Hessischer Kommunalbericht : Der Rechnungshof schlägt Alarm

Die interessierte Öffentlichkeit darf schon jetzt gespannt sein, wie das Bündnis seine rigorose Klientelpolitik über den absehbar prekären Haushalt 2025 hinaus aufrechterhalten will. Wenn das Bündnis an dieser Politik festhalten will, wird eine deutlich höhere Verschuldung unausweichlich werden.

Der erhöhte Kurbeitrag und dessen Ausweitung auf Geschäftsleute ist ein fatales Signal für eine Stadt, die sich für mehr als 200 Millionen Euro ein Kongresszentrum gebaut hat, um möglichst viele Übernachtungsgäste in die Stadt zu holen. Die Sorgen der Hoteliers, dass sich bei fünf Euro je Person und Nacht mancher Veranstalter nach günstigeren Optionen umsehen und mancher Geschäftsreisende lieber woanders nächtigen wird, sind nachvollziehbar.

Der Erhöhung der Beiträge steht zudem kein Mehrwert für den Gast gegenüber. Gut möglich also, dass die erhofften Mehreinnahmen nicht so üppig fließen werden, wie erwartet, und den Etat nicht dauerhaft retten. Dass die Finanzpolitiker des Bündnisses dann zur Besinnung kommen, steht allerdings nicht zu erwarten. Wiesbaden und seinen Bürgern stehen schwierige Zeiten bevor.

QOSHE - Wiesbaden auf Geisterfahrt - Oliver Bock
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Wiesbaden auf Geisterfahrt

11 0
05.12.2023

Es ist ein bedenklicher Weg, den das Linksbündnis in Wiesbaden einschlägt. Die gerade noch moderate Erhöhung der Gewerbesteuer und die drastische Anhebung des Kurbeitrags für alle Übernachtungsgäste sind Ausdruck einer ökonomisch bedenklichen Ausrichtung der Kooperation.

Dass Geld in einer Stadt von den Bürgern und Unternehmen erst erwirtschaftet werden muss, ehe es von der Politik mit vollen Händen ausgegeben werden kann, ist eine Weisheit, die von der parlamentarischen Mehrheit in Wiesbaden mit selbstbewusster Ignoranz zur Seite gewischt wird. Von einer nachhaltigen Finanzpolitik kann in der Landeshauptstadt keine Rede mehr sein. Eher von einer........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play