Es ist ein Erfolg auf tönernen Füßen. Deutschland hat im vergangenen Jahr Japan überholt und liegt nun auf dem dritten Platz der Weltrangliste der größten Volkswirtschaften, nach Amerika und China. Doch der Platztausch ist allein Folge der drastischen Abwertung des Yen und einer moderaten Aufwertung des Euro zum Dollar. Die Wechselkursverhältnisse könnten sich schnell umkehren, wenn die Bank von Japan auch nur vorsichtig beginnt, von der jahrzehntelangen Null- und Negativzinspolitik Abstand zu nehmen. Der Wechselkurs des Yen spiegelt viel spekulatives Kapital.

Viel entscheidender als Rang drei ist für das Wohlbefinden von Bürgern und Regierung ohnedies die nationale Entwicklung. Japans Wirtschaft wuchs 2023 um 1,9 Prozent, während die deutsche Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent schrumpfte. Die schlechte Ausgangsbasis ist einer der Gründe, warum die hiesige Wirtschaft auch in diesem Jahr nach jetzigem Stand eher stagnieren als wachsen dürfte.

Es ist eine Anpassung an die Tatsachen, dass die Bundesregierung nun ihre Wachstumsprognose von 1,3 auf 0,2 Prozent zurücknimmt. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vollzieht damit nach, dass die meisten Volkswirte ihre Prognosen schon seit dem vergangenen Herbst immer weiter und teils scharf nach unten gesetzt hatten. Sein Petitum, es liege vorrangig an den durch das Verfassungsgericht erzwungenen Sparanstrengungen, zieht deshalb nicht. Die schwache Weltwirtschaft, die hohen Zinsen und die tiefe Verunsicherung über den wirtschaftspolitischen Kurs der Koalition haben nichts mit Karlsruhe zu tun.

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Es ist zu befürchten, dass die Deutschen sich an ein sehr niedriges Wachstum werden gewöhnen müssen, weil die Gesellschaft altert und die Regierungen nicht die Kraft zur Wachstumspolitik finden. Japan eilt Deutschland in der Vergreisung voraus und hat gelernt, mit strukturell niedrigem Wachstum zu leben. Was kann Deutschland von Japan lernen? Die Regierung schaue bitte nicht auf die verkorkste Wirtschafts- und Finanzpolitik, sondern auf die Japaner, die in zunehmend großer Zahl und ohne viel Murren länger arbeiten, um ihre Rente aufzubessern.

QOSHE - Besser von Japan lernen - Patrick Welter
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Besser von Japan lernen

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15.02.2024

Es ist ein Erfolg auf tönernen Füßen. Deutschland hat im vergangenen Jahr Japan überholt und liegt nun auf dem dritten Platz der Weltrangliste der größten Volkswirtschaften, nach Amerika und China. Doch der Platztausch ist allein Folge der drastischen Abwertung des Yen und einer moderaten Aufwertung des Euro zum Dollar. Die Wechselkursverhältnisse könnten sich schnell umkehren, wenn die Bank von Japan auch nur vorsichtig beginnt, von der jahrzehntelangen Null- und Negativzinspolitik Abstand zu nehmen. Der Wechselkurs des Yen spiegelt viel spekulatives Kapital.

Viel entscheidender als Rang drei........

© Frankfurter Allgemeine


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