Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent gesunken. Das ist ein schlechtes Ergebnis. In Berlin mag mancher nun dazu neigen, das Wirtschaftsjahr 2023 möglichst schnell vergessen zu wollen. Das wäre falsch. Ein Rezessionsjahr ist in Deutschland ein seltenes Ereignis. Seit 1951 ist es erst das neunte Jahr, in dem das reale Bruttoinlandsprodukt geschrumpft ist. Daraus lässt sich lernen, was in Deutschland alles schiefläuft. Die Warnzeichen in den Statistiken sind nicht zu übersehen.

Einer der wichtigsten Gründe für die Rezession ist, dass die Deutschen weniger konsumierten. 2022 hatte der private Konsum noch stark zugelegt, weil Corona-Auflagen entfielen und die Menschen zuvor ausgefallene Vergnügungen nachholten. 2023 aber war das Jahr, in dem der andauernde Inflationsschock voll durchschlug und die Verbraucher in Vorsicht erstarrten.

Das zeigt, wie wichtig die Stabilität des Preisniveaus für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung ist. Es ist eine Mahnung, wie viel strenger die Deutschen die Europäische Zentralbank (EZB) in die Pflicht nehmen sollten, ihrer Aufgabe der Preisniveaustabilität wirklich nachzukommen.

Neben dem privaten trug auch der staatliche Konsum im vergangenen Jahr sehr zur Schrumpfung bei, weil Staatsausgaben zur Linderung der Corona-Pandemie entfielen. Für sich genommen war das eine positive Entwicklung. Es ist aber auch ein Menetekel, dass eine Regierung einen dauerhaften Aufschwung nicht herbeizaubern kann.

Das gilt auch, wenn staatliche Förderung von Elektroautos die Unternehmen wie 2023 dazu bewegt, die Firmenflotte umzurüsten. Nur vorübergehend macht sich das positiv in höheren Ausrüstungsinvestitionen bemerkbar. Die Kehrseite der Energiepolitik der Regierungskoalition zeigt sich in der Industrieproduktion. Die Bruttowertschöpfung im produzierenden Gewerbe ohne Bau brach ein, weil die Energieerzeugung zurückgeht, weil die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet wurden und auch die Kohle nicht mehr gewollt wird. Die Energiepolitik mit der Brechstange zeigt sich darin, dass Deutschland im vergangenen Jahr mehr Strom einführen musste als zuvor.

Die immer noch hohen Energiepreise wiederum belasten die Indus­trie und vor allen Dingen die Produktion in energieintensiven Branchen wie der chemischen Industrie. Der abermalige Einbruch der Bauinvestitionen dagegen gründet in der rasant schnellen Normalisierung des Zinssatzes im Euroraum. Mit der schlechten Lage gerade des Wohnungsbaus zahlt Deutschland verspätet den Preis, dass die EZB jahrelang mit Nullzinsen den Immobilienmarkt übermäßig stimuliert hat.

Nicht zuletzt zeigt sich der schädliche Einfluss der Wirtschafts- und der Geldpolitik in der Außenwirtschaft, genauer im schrumpfenden Export. Gegen die schwache Weltwirtschaft sind Bundesregierung und Exportunternehmen zwar machtlos. Doch schwächen der Inflationsschub und die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exportunternehmen. Auch die Lohnstückkosten stiegen deutlich, die Lohnentwicklung ist 2023 dem Produktivitätszuwachs davongeeilt. Das drückt auf die Wettbewerbsfähigkeit und wird auch dem deutschen Arbeitsmarkt noch Probleme bereiten.

Die Exportschwäche belegt, wie sehr Deutschland vom Ausland abhängt. Die schwache wirtschaftliche Entwicklung in China ist eines der größten Konjunkturrisiken für Deutschland auch in diesem Jahr. Das ist ein sehr ernst zu nehmender Hinweis, wie utopisch und blauäugig all das Gerede und Getue über und für eine Abkopplung oder ein „De-Risking“ von China ist.

Mehr zum Thema

1/

BIP sinkt um 0,3 Prozent : Das neunte Rezessionsjahr

Zukunft des Sozialstaats : Den Einzelnen in die Pflicht nehmen

Abwanderung : Warum eine Million Menschen im Jahr Deutschland verlassen

Blockaden überall : Deutschland als Republik der Neider

Der kurze Streifzug durch die Wirtschaftsstatistik verdeutlicht die Schäden, die die Geld- und Wirtschaftspolitik in Deutschland angerichtet haben und noch anrichten. Dazu muss man noch nicht mal die Ver­unsicherung der Verbraucher und Unternehmen durch das ständige politische Hin und Her der Regierungskoalition in den Blick nehmen. Oder die Risiken, weil die Regierung mit ihren Schulden verfassungsrechtlich Vabanque spielt. Diese Belastungen der wirtschaftlichen Entwicklung kommen noch obendrauf.

Kann es verwundern, dass im Schnitt der Prognosen Deutschland für dieses Jahr nur noch ein spärliches Wirtschaftswachstum von vielleicht 0,3 Prozent vorhergesagt wird? Der Aufschwung lässt mal wieder auf sich warten. Die Regierung schiebe das bitte nicht auf die weltwirtschaftlichen Zeitläufte oder die geopolitischen Risiken. Der Großteil der Schwierigkeiten ist hausgemacht.

QOSHE - Die deutsche Wirtschaftskrise ist hausgemacht - Patrick Welter
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Die deutsche Wirtschaftskrise ist hausgemacht

8 71
15.01.2024

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent gesunken. Das ist ein schlechtes Ergebnis. In Berlin mag mancher nun dazu neigen, das Wirtschaftsjahr 2023 möglichst schnell vergessen zu wollen. Das wäre falsch. Ein Rezessionsjahr ist in Deutschland ein seltenes Ereignis. Seit 1951 ist es erst das neunte Jahr, in dem das reale Bruttoinlandsprodukt geschrumpft ist. Daraus lässt sich lernen, was in Deutschland alles schiefläuft. Die Warnzeichen in den Statistiken sind nicht zu übersehen.

Einer der wichtigsten Gründe für die Rezession ist, dass die Deutschen weniger konsumierten. 2022 hatte der private Konsum noch stark zugelegt, weil Corona-Auflagen entfielen und die Menschen zuvor ausgefallene Vergnügungen nachholten. 2023 aber war das Jahr, in dem der andauernde Inflationsschock voll durchschlug und die Verbraucher in Vorsicht erstarrten.

Das zeigt, wie wichtig die Stabilität des Preisniveaus für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung ist. Es ist eine Mahnung, wie viel strenger die Deutschen die Europäische Zentralbank (EZB) in die Pflicht nehmen sollten, ihrer Aufgabe der Preisniveaustabilität wirklich........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play