Mit Spannung verfolgt die amerikanische Öffentlichkeit, ob die New Yorker Staatsanwältin Letitia James demnächst Immobilien, Golfanlagen oder andere Vermögenswerte des ehemaligen Präsidenten Donald Trump beschlagnahmt – oder ob es ihm doch noch gelingt, rund eine halbe Milliarde Dollar zu hinterlegen. Trump war von Staatsanwältin James wegen des Verdachts angeklagt worden, den Wert seiner Immobilien und Golfklubs auf betrügerische Weise höher angegeben zu haben, um Kredite und Versicherungspolicen zu günstigen Konditionen zu bekommen.

Der zuständige Richter folgte der Staatsanwältin und verurteilte Trump dazu, 355 Millionen Dollar zu zahlen. Zudem untersagte er ihm für eine befristete Zeit die Geschäftstätigkeit in New York. Die Schuldsumme hat sich wegen der aufgelaufenen Zinsen schon zu der enormen Summe von 456 Millionen Dollar aufgestaut. Täglich kommen Zinsen von 114.000 Dollar hinzu, wie die siegreiche Staatsanwältin James unlängst nicht ohne Häme auf X (vormals Twitter) verbreitete.

Viele teilen die Empfindung, dass Trump es nicht besser verdient hat. Das mag so sein. Trotzdem ist das Urteil fragwürdig. Es fußt auf der innovativen Anwendung eines speziellen Gesetzes des Bundesstaates New York aus den Fünfzigerjahren, das den Zweck hatte, vor allem ältere Mitbürger vor wiederholten Betrugsmaschen von Unternehmen zu schützen.

Hinter dem Gesetz stand die Vorstellung einer asymmetrischen Geschäftsbeziehung: unbedarfte Bürger auf der einen Seite und skrupellose Unternehmen, die wieder und wieder arme Seelen abzocken, auf der anderen Seite.

Trumps Gegenpart waren aber keine vertrauensseligen Mitmenschen, sondern hart gesottene Finanzinstitute wie die Deutsche Bank. Diese pflegte seit vielen Jahren Geschäftsbeziehungen mit Trump und gewährte ihm selbst dann noch Kredit, nachdem sie von diesem verklagt worden war. Sie kannte seine Neigung, mit seinem Reichtum zu protzen. Die Vorstellung, die Deutsche Bank sei das leichtgläubige Opfer eines gewieften Geschäftsmanns, ist deshalb absurd. Die Bank reklamiert diesen Status auch gar nicht. Die Tatsache, dass sie selbst Trump nicht verklagt hat, legt die Vermutung nahe, dass sie sich nicht als Opfer fühlt. Ihr Kredit wurde schließlich samt Zinsen fristgerecht bedient.

Unklar ist ferner, ob Trump und seine Spießgesellen die Finanzinstitute tatsächlich in die Irre geführt und bessere Finanzkonditionen herausgeschlagen haben. Selbst wenn Trump manche Immobilienwerte absurd hochjazzen ließ, ist unbelegt, dass diese Angaben Einfluss auf die Kreditkonditionen hatten. Deutsche-Bank-Manager bezeugten, sie seien unsicher, ob Trumps Vermögensdarstellung die Kreditzinsen und Zahlungsbedingungen für ihn verbessert hatte.

Schließlich ist unbewiesen, dass Trump mit böser Absicht handelte oder ob er nur seiner pompösen Natur folgte. Er ist halt ein Protz. Kurz gesagt: Ein Opfer ist nicht zu identifizieren, es bestehen Zweifel daran, dass sich Trump verbesserte Konditionen erschlichen hat, und seine böse Intention ist nicht bewiesen.

Bemerkenswerterweise spielt das alles für die Rechtsprechung keine Rolle. Es reicht für die Verurteilung, dass Trump die „Neigung zu betrügen“ hat. Das zeigt aber auch, welch machtvolles Schwert der New Yorker Justiz in die Hand gegeben wurde, von der man eines sicher weiß: Sie ist Trump nicht wohlgesonnen. Letitia James erlangte ihr Amt als Generalstaatsanwältin 2018 durch eine Wahl, in der sie Trump als „illegitimen Präsidenten“ und als „Peinlichkeit“ bezeichnete. Wer hier Unvoreingenommenheit erwartet, ist schlicht naiv.

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In den meisten bisherigen Anwendungen des New Yorker Spezialgesetzes hatte es Opfer gegeben, die entsprechend entschädigt wurden. Trumps Fall sticht, wie eine AP-Analyse zeigt, heraus als einziger, bei dem ein großes Unternehmen ohne offensichtliches Opfer und ohne identifizierbaren Verlust verurteilt wurde. Mangels zu entschädigendem Opfer wandert der erstrittene Geldbetrag in die New Yorker Staatskasse.

Juristen finden das gewiss angemessen, Ökonomen wittern hier schwere Fehlanreize. Das ganze Verfahren wird den Geschmack nicht los, dass politische und andere sachfremde Motive eine Rolle spielen. Einige Generalstaatsanwälte machten auf dem Fundament solcher öffentlichkeitswirksamer Fälle Karriere und wurden Gouverneur in New York.

Eine Lehre aus dem Fall lautet, dass man besser nicht in die Fänge der New Yorker Justiz gerät. Speziell dann nicht, wenn man deren politische Ideologie nicht teilt.

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Dieser Prozess gegen Trump schmeckt sehr nach Politik

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24.03.2024

Mit Spannung verfolgt die amerikanische Öffentlichkeit, ob die New Yorker Staatsanwältin Letitia James demnächst Immobilien, Golfanlagen oder andere Vermögenswerte des ehemaligen Präsidenten Donald Trump beschlagnahmt – oder ob es ihm doch noch gelingt, rund eine halbe Milliarde Dollar zu hinterlegen. Trump war von Staatsanwältin James wegen des Verdachts angeklagt worden, den Wert seiner Immobilien und Golfklubs auf betrügerische Weise höher angegeben zu haben, um Kredite und Versicherungspolicen zu günstigen Konditionen zu bekommen.

Der zuständige Richter folgte der Staatsanwältin und verurteilte Trump dazu, 355 Millionen Dollar zu zahlen. Zudem untersagte er ihm für eine befristete Zeit die Geschäftstätigkeit in New York. Die Schuldsumme hat sich wegen der aufgelaufenen Zinsen schon zu der enormen Summe von 456 Millionen Dollar aufgestaut. Täglich kommen Zinsen von 114.000 Dollar hinzu, wie die siegreiche Staatsanwältin James unlängst nicht ohne Häme auf X (vormals Twitter) verbreitete.

Viele teilen die Empfindung, dass Trump es nicht besser verdient hat. Das mag so sein. Trotzdem ist das Urteil fragwürdig. Es fußt auf der........

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