Das folgende Zitat beschreibt, wie in der Weltbank heute über Armut und Klimawandel gedacht wird: „Die Ausrottung extremer Armut und die Beendung der Klimaerwärmung können nur zusammen angegangen werden: Die Reduzierung der Armut ohne Berücksichtigung der CO2-Emissionen ist eine selbstzerstörerische Strategie, weil die Folgen des Klimawandels hart errungene Entwicklungsfortschritte bedrohen.“

Das Zitat steht einem Blogbeitrag der Weltbank voran, der eine wissenschaftliche Arbeit von drei Ökonomen der Institution zusammenfasst. Die Denkweise spiegelt sich auch in der Kredit- und Unterstützungspolitik der Entwicklungshilfeinstitution. Sie will vom nächsten Jahr an 45 Prozent ihrer Ausgaben Klimaprojekten widmen.

Die Aussage könnte so verstanden werden, als ob die ärmsten Länder ihre Politik zur Bekämpfung der drängendsten Armut um klimapolitische Maßnahmen ergänzen müssten, um schlimmeres Unheil zu verhindern. Dass das aber der falsche Ansatz wäre, zeigt der bekannte Entwicklungsökonom Lant Pritchett in einem Blogbeitrag. Er nennt das Beispiel Malawis. Das Land gehört zu den ärmsten überhaupt. Rund 70 Prozent der Bevölkerung leben in Armut mit weniger als 2,15 Dollar Einkommen am Tag. Gleichzeitig ist der Beitrag des Landes, in dem die meisten von Subsistenzlandwirtschaft leben, zu den in der Atmosphäre kumulierten Treibhausgasen verschwindend gering. Selbst unter optimistischen Wachstumsszenarien für das arme Land bleiben die Emissionen bis 2050 kleiner, als dass sie die CO2-Konzentration in der Atmosphäre verändern könnten.

Dabei geht es nicht nur darum, dass Malawi als kleines und armes Land gerade einmal 24 Millionen Tonnen CO2 jährlich herausbläst und damit ungefähr 0,4 Prozent von dem, was die USA emittieren, und 0,2 Prozent der chinesischen Ausstoßmenge. Es ist zudem schlicht so, dass die jetzt schon kumulierte Menge so groß ist, dass Malawis Ausstoß irrelevant bleibt.

Das heißt: Selbst wenn Malawi eine vorbildliche, die Klimaaktivisten internationaler Organisationen bezaubernde Politik der Emissionsreduktion betreiben würde, hätte das keinen Einfluss auf die Folgen des Klimawandels für das eigene Land. Hier zeigt sich ein Unterschied zur klassischen nachhaltigen Umweltpolitik, wie Pritchett ausführt. Die Tolerierung von Gewässerverschmutzung beispielsweise könnte den Fischfang und damit den Wohlstand gefährden. Umweltpolitik dieser Art hätte eine unmittelbare lokale Auswirkung, im Gegensatz zur Klimapolitik. Die Bedrohungen der Klimaerwärmung treffen Malawi wegen der Aktionen anderer Länder in der Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit – und damit unabhängig von den Emissionen des Landes, das hier nur als ein Beispiel steht für kleine, arme Entwicklungsländer.

Das Problem des Klimaschutzes ist es, dass es sich dabei um ein globales öffentliches Gut handelt, das eine Kooperation aller Länder voraussetzt, während gleichzeitig jedem klar ist, dass der Beitrag eines einzelnen Landes kaum Wirkung hat. Vor diesem Hintergrund wird die Logik einer politischen Rhetorik deutlich, die jedem Land abverlangt, seine Emissionen zu reduzieren. Etwa wird argumentiert, dass Länder, die auf Emissionsreduktion verzichten, anderen Ländern mit größerem Gewicht in der Weltklimabilanz eine Ausrede geben, selbst ebenfalls nichts zu tun.

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Vergesst mal kurz das Klima

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12.02.2024

Das folgende Zitat beschreibt, wie in der Weltbank heute über Armut und Klimawandel gedacht wird: „Die Ausrottung extremer Armut und die Beendung der Klimaerwärmung können nur zusammen angegangen werden: Die Reduzierung der Armut ohne Berücksichtigung der CO2-Emissionen ist eine selbstzerstörerische Strategie, weil die Folgen des Klimawandels hart errungene Entwicklungsfortschritte bedrohen.“

Das Zitat steht einem Blogbeitrag der Weltbank voran, der eine wissenschaftliche Arbeit von drei Ökonomen der Institution zusammenfasst. Die Denkweise spiegelt sich auch in der Kredit- und Unterstützungspolitik der Entwicklungshilfeinstitution. Sie will vom nächsten Jahr an 45 Prozent ihrer Ausgaben Klimaprojekten widmen.

Die Aussage könnte so verstanden werden, als ob die ärmsten Länder ihre Politik zur........

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