Am Ende lieferte der Davis Cup dann doch wieder jene Bilder, die nur er liefern kann in der Individualisten-Sportart, die das Tennis nun mal ist: eine tanzende, hüpfende und vor Freude brüllende Mannschaft aus Italien, die im goldenen Konfettiregen von Málaga ihren gemeinsamen Triumph bejubelte. Der 2:0-Sieg im Finale gegen Australien hatte den Italienern am Sonntagabend ihren ersten Titel seit 47 Jahren beschert. David Haggerty, Präsident des Tennis-Weltverbands ITF, strahlte wenig später mit den Siegern um die Wette, als er ihnen die liebevoll als „hässlichste Salatschüssel der Welt“ verspottete Trophäe überreichte.

Fünf Jahre ist es her, dass die ITF unter Haggertys Führung den ältesten Nationenwettbewerb der Welt radikal reformierte. Die Investorengruppe Kosmos des spanischen Starfußballers Gerard Piqué, die die Rechte am Davis Cup erwarb, hatte daraufhin das alte Format mit Heim- und Auswärtsspielen quasi abgeschafft und durch ein Finalturnier an einem Ort ersetzt.

Versprochen wurden der ITF und ihren Mitgliedsverbänden im Gegenzug sagenhafte drei Milliarden Dollar, auszuzahlen über 25 Jahre. Doch trotz Korrekturen in den vergangenen Jahren floppte der neue Modus. Weil dann auch noch das Geld ausblieb, kam es im Frühjahr 2023 zum geräuschvollen Bruch mit dem Investor.

Es ist nun eine besondere Pointe, dass im Jahr eins nach Kosmos der Wettbewerb bei seinem Finalturnier endlich die Art von Geschichten schrieb, die man sich schon damals von ihm versprochen hatte. Die Woche mit den K.-o.-Duellen in Málaga war gut besucht, es gab mitgereiste Fangruppen aus verschiedenen Ländern und im Halbfinale, als der Italiener Jannik Sinner gegen den großen Novak Djokovic drei Matchbälle in Serie abwehrte und noch gewann, sogar ein absolutes Highlight-Match mit zwei der derzeit größten Stars der Szene.

Haggerty sieht sich bestätigt. Eine Rückkehr zum alten Format werde es nicht geben, kündigte er an. 2024 wird aufgrund von bestehenden Verträgen ohnehin weiter im derzeitigen Modus gespielt. Doch auch danach gebe es wenig Raum für Veränderung.

Dabei können die positiven Eindrücke von Málaga nicht kaschieren, welche Probleme der traditionsreiche Wettbewerb weiter hat. Bei den vor zwei Jahren eingeführten Zwischenrunden mit vier Teams herrschte in vielen Arenen zumindest abseits der Partien der Heimnationen gähnende Leere. Und das obwohl Haggerty zugab, dass die ITF teilweise Fans von örtlichen Universitäten als Stimmungsmacher verpflichtet hatte. Zwar gab es Unterschiede zwischen den Austragungsorten. Doch der Frust unter den Spielern über die teilweise trostlose Atmosphäre ist groß.

Es bleibt deshalb eine Aufgabe auch des Deutschen Tennis Bundes (DTB), trotz der Beharrungskräfte bei der ITF auf Verbesserungen am Format zu drängen. DTB-Präsident Dietloff von Arnim hatte Haggerty im September bei der Präsidentschaftswahl herausgefordert – und eine krachende Niederlage eingesteckt. Dafür sitzt er nun im „board of directors“, dem Vorstand des Weltverbands, und muss hier seinen Einfluss in der nun beginnenden Diskussion um die Zukunft des Wettbewerbs geltend machen.

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Am Ende waren die Bilder und Geschichten, die der Davis Cup beim Finalturnier produzierte, nämlich kein Beweis für die Kraft des Finalturniers, sondern lediglich für die Kraft des Davis Cups. Dieser Wettbewerb hat einen anderen Modus verdient.

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Falsches Format, passende Pointe

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27.11.2023

Am Ende lieferte der Davis Cup dann doch wieder jene Bilder, die nur er liefern kann in der Individualisten-Sportart, die das Tennis nun mal ist: eine tanzende, hüpfende und vor Freude brüllende Mannschaft aus Italien, die im goldenen Konfettiregen von Málaga ihren gemeinsamen Triumph bejubelte. Der 2:0-Sieg im Finale gegen Australien hatte den Italienern am Sonntagabend ihren ersten Titel seit 47 Jahren beschert. David Haggerty, Präsident des Tennis-Weltverbands ITF, strahlte wenig später mit den Siegern um die Wette, als er ihnen die liebevoll als „hässlichste Salatschüssel der Welt“ verspottete Trophäe überreichte.

Fünf Jahre ist es her, dass die ITF unter Haggertys Führung den ältesten Nationenwettbewerb der Welt radikal reformierte. Die Investorengruppe Kosmos des spanischen Starfußballers Gerard Piqué, die die Rechte am Davis Cup erwarb, hatte daraufhin das alte Format mit Heim- und........

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