Der Schutz der Verfassung ist eine echte Gemeinschaftsaufgabe. Doch kann niemand dazu verpflichtet werden, ­Gesicht zu zeigen oder sich für die Demokratie zu engagieren. Es gibt hierzulande auch keine Pflicht zu wählen, schon gar nicht, wen – das haben nur diktatorische Regime ­versucht, die das Volk allenfalls im Namen führten.

Aber ohne engagierte Demokraten ist kein Staat zu machen. Wird der Wahlzettel von einer Mehrheit nur noch als Denkzettel gebraucht, als Weckruf, dann könnte es ein böses Erwachen auch derjenigen geben, die sich doch im Herzen als Demokraten sehen. Deshalb sind institutionelle ­Sicherungen wichtig. Vor allem die Unabhängigkeit der Justiz, unter den Verfassungsorganen verkörpert durch das Bundesverfassungsgericht.

Zahlreiche Anfeindungen im Laufe der Jahrzehnte, auch sehr scharfe Kritik aus der Politik, belegen nur seine wichtige Stellung. Man kann über einzelne Entscheidungen immer streiten, aber der beliebte Vorwurf, das Verfassungsgericht sei ein Büttel der Regierung oder einer bestimmten Parteipolitik, findet in den Tatsachen keine Stütze. Die Karlsruher Richter haben nicht nur die Grundrechte mit Leben gefüllt und sie gerade zum Schutz von Minderheiten und aller Arten von Querdenkern immer wieder auch gegen ganz große Koalitionen hochgehalten. Vom Festhalten an der staatlichen Einheit Deutschlands in Zeiten seiner schon ziemlich verfestigten Teilung ganz zu schweigen.

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Deshalb ist es richtig, auch mit Blick auf Ungarn und Polen, darüber nachzudenken, ob der Schutz der Karlsruher Unabhängigkeit – in Gestalt etwa des Erfordernisses einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat sowie der zwölfjährigen Amtszeit ohne Wiederwahl – nicht in der Verfassung selbst verankert werden sollte. Daran, dass demokratisch gewählte Abgeordnete die Verfassungsrichter wählen, kommt man aber hoffentlich nicht vorbei. Auch höhere Hürden sind kein Ersatz für eine inhaltliche Auseinandersetzung, für einen Verfassungsschutz durch die Bürger.

QOSHE - Verfassungsschutz durch den Bürger - Reinhard Müller
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Verfassungsschutz durch den Bürger

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31.01.2024

Der Schutz der Verfassung ist eine echte Gemeinschaftsaufgabe. Doch kann niemand dazu verpflichtet werden, ­Gesicht zu zeigen oder sich für die Demokratie zu engagieren. Es gibt hierzulande auch keine Pflicht zu wählen, schon gar nicht, wen – das haben nur diktatorische Regime ­versucht, die das Volk allenfalls im Namen führten.

Aber ohne engagierte Demokraten ist kein Staat zu machen. Wird der Wahlzettel von einer Mehrheit nur noch als Denkzettel gebraucht, als Weckruf, dann könnte es ein böses Erwachen auch derjenigen geben, die sich doch im Herzen als........

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