In der Woche des Regierungswechsels ist in Warschau viel über Polens Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit geredet worden. Die Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk handelte von den Bedrohungen, denen Polen angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine ausgesetzt ist. Staatspräsident Andrzej Duda betonte bei der Vereidigung des neuen Kabinetts, dass die Erhaltung von Unabhängigkeit die wichtigste Aufgabe jeder polnischen Regierung sei. Und auf seine Weise sprach auch der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński über Gefahren für Polens Unabhängigkeit, als er am Montagabend im Sejm be­hauptete, Tusk sei ein „deutscher Agent“.

Das Gefühl, dass man die Freiheit und Existenz des eigenen Staates nicht als allzu selbstverständlich ansehen sollte, eint alle politischen Kräfte in Polen. Der 123 Jahre währende Kampf um die Wiederherstellung des Ende des 18. Jahrhunderts von Preußen, Österreich und Russland zerschlagenen Staates hat das Nationalbewusstsein der Polen geformt. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, in dem die deutschen Besatzer Polen als Nation auslöschen wollten und dabei anfangs von Stalin unterstützt wurden, haben Narben hinterlassen. Konsens ist auch die Erkenntnis, dass die bloße Existenz eines polnischen Staates auf der Landkarte ein Trugbild sein kann. Das Ende der von Moskau gestützten kommunistischen Diktatur 1989 wird in Polen deshalb als „Wiedererlangung der Unabhängigkeit“ gefeiert.

QOSHE - Kein Grund für Komplexe - Reinhard Veser
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Kein Grund für Komplexe

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16.12.2023

In der Woche des Regierungswechsels ist in Warschau viel über Polens Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit geredet worden. Die Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk handelte von den Bedrohungen, denen Polen angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine ausgesetzt ist. Staatspräsident Andrzej Duda betonte bei der Vereidigung........

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