Zweieinhalb Monate vor der Präsidentenwahl in Russland hat Wladimir Putin eine Neujahrsansprache gehalten, in der er seinen Krieg gegen die Ukraine nur in vagen Umschreibungen erwähnt hat. Er hat die russischen Soldaten als „Helden“ gelobt, aber kein Wort des ehrenden Gedenkens für die Gefallenen und Verwundeten unter ihnen übrig gehabt.

Mit keiner Silbe ist er auf die zivilen Opfer des Kriegs eingegangen, die es auch in Russland gibt (wenngleich ihre Zahl nur einen winzigen Bruchteil der Zahl der getöteten Zivilisten in der Ukraine ausmacht). Dabei wurden am Tag vor Silvester in der russischen Großstadt Belgorod durch einen ukrainischen Raketenangriff 24 Menschen getötet.

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Aus dieser Leerstelle in der kurzen Rede spricht die Menschenverachtung Putins. Auch die Leben von Russen sind für ihn nur politische Manövriermasse, die er nach Belieben einsetzt. Ob er über ihren Tod hinweggeht, ihn betrauert oder sich darüber empört, ist für Putin eine Frage der politischen Taktik.

Vor der Wahlfarce, bei der Putin sich seinen Untertanen als Garant für Stabilität und Wohlstand Russlands präsentieren will, scheint der Kreml blutige Verluste im Namen des Vaterlands als störend für die Selbstdarstellung zu empfinden. Das bedeutet freilich auch: Die russische Führung glaubt nicht daran, dass der Krieg gegen die Ukraine in der Bevölkerung großen Rückhalt hat.

QOSHE - Verachtung auch gegenüber Russen - Reinhard Veser
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Verachtung auch gegenüber Russen

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01.01.2024

Zweieinhalb Monate vor der Präsidentenwahl in Russland hat Wladimir Putin eine Neujahrsansprache gehalten, in der er seinen Krieg gegen die Ukraine nur in vagen Umschreibungen erwähnt hat. Er hat die russischen Soldaten als „Helden“ gelobt, aber kein Wort des ehrenden Gedenkens für die Gefallenen und Verwundeten unter ihnen übrig gehabt.

Mit keiner Silbe ist er auf die zivilen Opfer des Kriegs........

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