Die langen Schlangen vor vielen russischen Wahllokalen am Sonntagmittag zeugen davon, dass es dem Regime Wladimir Putins noch nicht gelungen ist, jeglichen Widerspruch mundtot zu machen. Der Widerhall des Aufrufs der Opposition, als Zeichen des Protests gemeinsam um zwölf Uhr mittags zur Wahl zu gehen, hat nach dem öffentlichen Gedenken für den getöteten Alexej Nawalnyj noch einmal sichtbar gemacht, dass die russische Be­völ­ke­rung nicht so geschlossen hinter Putin und seinem Krieg gegen die Ukraine steht, wie er das gerne glauben machen möchte.

Aber es ist wenig wahrscheinlich, dass aus diesem symbolischen Widerspruch eine neue politische Bewegung entsteht. Gerade die Kreativität der Idee des „Mittags gegen Putin“ führt vor Augen, wie klein der Raum für Protest in Russland geworden ist: Die Unterwanderung einer Veranstaltung des Regimes ist die einzige verbliebene Möglichkeit, dessen Gegner ohne unmittelbare Gefahr öffentlich zu versammeln. Und sogar diese subversive Weise der Teilnahme an der „Wahl“ ist nicht ohne Risiko. Zudem konnte man zu den jeweiligen Ortszeiten am Sonntagmittag von Zentralasien bis nach Westeuropa sehen, wie viele aktive junge Menschen Russland in den vergangenen zwei Jahren verlassen haben. Die Wahllokale, vor denen sich die längsten Schlangen bildeten, waren die in den diplomatischen Vertretungen Russlands von Almaty bis Paris. Ein großer Teil der Menschen, die Russlands Opposition vor dem Überfall auf die Ukraine regelmäßig zu Aktionen mobilisieren konnte, ist nicht mehr im Land.

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Der Diktator Wladimir Putin hat sein Land nach dieser Wahlfarce noch fester im Griff als zuvor. Umso wichtiger ist es, ihm von außen Widerstand entgegenzusetzen – und das bedeutet derzeit vor allem: durch massive Unterstützung für die von ihm überfallene Ukraine. In deren Verteidigungskampf entscheidet sich das Schicksal Europas auf lange Zeit. Ein Scheitern Putins dort wäre auch für Russland das Beste.

QOSHE - Wie noch Widerstand geleistet werden kann - Reinhard Veser
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Wie noch Widerstand geleistet werden kann

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17.03.2024

Die langen Schlangen vor vielen russischen Wahllokalen am Sonntagmittag zeugen davon, dass es dem Regime Wladimir Putins noch nicht gelungen ist, jeglichen Widerspruch mundtot zu machen. Der Widerhall des Aufrufs der Opposition, als Zeichen des Protests gemeinsam um zwölf Uhr mittags zur Wahl zu gehen, hat nach dem öffentlichen Gedenken für den getöteten Alexej Nawalnyj noch einmal sichtbar gemacht, dass die russische Be­völ­ke­rung nicht so geschlossen hinter Putin und seinem Krieg gegen die Ukraine steht, wie er das gerne glauben machen........

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