Leistung soll sich bekanntlich lohnen. Folgt man dieser Philosophie, kann man das Gehaltspaket, das Tesla vor einigen Jahren für seinen Vorstandschef Elon Musk geschnürt hat, für angemessen halten. Es war zu 100 Prozent leistungsbezogen und an klare Vorgaben für Börsenwert, Umsatz und Gewinn geknüpft. Wären die gesetzten Meilensteine nicht erreicht worden, hätte Musk gar nichts verdient. Und diese Zielgrößen schienen damals reichlich ambitioniert. Tesla war an der Börse 60 Milliarden Dollar wert, heute ist es zehnmal so viel.

Am Ende übersprang das Unternehmen alle zwölf Hürden in der Gehaltsvereinbarung, und Musk konnte alle zwölf möglichen Tranchen von Aktienoptionen einstreichen. In der Tendenz hat das Gehaltspaket somit die richtigen Anreize gesetzt. Mit seinem astronomischen Wert von mehr als 55 Milliarden Dollar hat es aber die Grenzen der Verhältnismäßigkeit gesprengt.

Das sah nun auch eine Richterin so, die über eine Klage eines Aktionärs gegen Musk und Tesla zu entscheiden hatte. Der Aktionär befand das Gehaltspaket für exzessiv, die Richterin schloss sich dieser Meinung an und erklärte es für ungültig. Sollte Musk das Urteil nicht in einem Berufungsverfahren umkehren können, könnte er seinen Titel als reichster Mensch der Welt verlieren.

Die Kontroverse um Musks Gehaltspaket wirft einmal mehr ein Licht auf Teslas erbärmliches Verständnis von „Corporate Gover­nance“, also Grundsätzen guter Unternehmensführung. Der Verwaltungsrat des Autoherstellers ist nicht etwa ein Aufsichts-, sondern ein Abnickgremium. Einige seiner Mitglieder haben enge persönliche Verbindungen zu Musk, darunter sind Weggefährten, die ihm viel zu verdanken haben, und sogar sein eigener Bruder. Wer in diesem Kreis würde wohl „Nein“ zu Musk sagen?

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Wie ungesund diese Konstellation ist, zeigte sich erst kürzlich wieder, als Musk sich in der Position fühlte, öffentlich ein weiteres üppiges Gehaltspaket zu fordern und damit seinen Verwaltungsrat unter Druck zu setzen. Musk hält sich bei Tesla offensichtlich für unersetzbar und unangreifbar, und das, obwohl der Autohersteller für ihn in den vergangenen Jahren zunehmend zum Teilzeitjob geworden ist, weil er sich von anderen Aktivitäten wie etwa seiner Onlineplattform X ablenken lässt. Teslas Marionettenaufsicht sieht tatenlos zu.

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Teslas tatenlose Aufseher

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31.01.2024

Leistung soll sich bekanntlich lohnen. Folgt man dieser Philosophie, kann man das Gehaltspaket, das Tesla vor einigen Jahren für seinen Vorstandschef Elon Musk geschnürt hat, für angemessen halten. Es war zu 100 Prozent leistungsbezogen und an klare Vorgaben für Börsenwert, Umsatz und Gewinn geknüpft. Wären die gesetzten Meilensteine nicht erreicht worden, hätte Musk gar nichts verdient. Und diese Zielgrößen schienen damals reichlich ambitioniert. Tesla war an der Börse 60 Milliarden Dollar wert, heute ist es zehnmal so viel.

Am Ende übersprang das Unternehmen alle zwölf Hürden in der Gehaltsvereinbarung, und........

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