Die Aktivisten des Kollektivs „Die Druckerei“ können einander gratulieren: Ihr tagelanges Ausharren auf dem Dach der Dondorf-Druckerei in Frankfurt im Dezember hat sich gelohnt, der heldenhafte Widerstand gegen geballte „Polizeigewalt“ – von einem Besetzer gar mit einem blauen Auge bezahlt – war nicht vergebens. Die Max-Planck-Gesellschaft hat genug vom Gezerre um das alte Indus­triegebäude in Bockenheim, sie verzichtet auf dessen Abriss und will den Neubau ihres Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik an anderer Stelle errichten.

Wer allerdings den Rechtsstaat respektiert und den Wissenschaftsstandort Frankfurt gestärkt sehen will, wird ob dieser Nachricht keine Freude empfinden. Nicht nur die teils linksextremen Dondorf-Okkupanten selbst, auch andere Freunde der selbstbestimmten Leerstands-Aneignung dürften ihre Lehre daraus ziehen: Hausfriedensbruch lohnt sich. In Zeiten, in denen schon Klimakleber und Wutbauern unter Verweis auf hehre Ziele das Demonstrationsrecht bisweilen sehr großzügig auslegen, könnten sich bald auch noch andere Gruppen ermutigt fühlen, öffentliche oder private Räume illegal für ihre Zwecke in Beschlag zu nehmen: Der Erfolg heiligt die Mittel. Man kann nur hoffen, dass nicht auch noch die Rechts-außen-Fraktion den Reiz des „zivilen Ungehorsams“ in größerem Umfang für sich entdeckt.

Bitter ist der Rückzug der Max-Planck-Gesellschaft auch aus stadtplanerischer und forschungspolitischer Sicht. Die ohnehin schon stark erodierten Pläne für einen Kulturcampus auf dem alten Areal der Goethe-Uni drohen nun vollends zu zerbröseln. Wird die Standortfrage nicht bald neu beantwortet, zieht das Institut für empirische Ästhetik vielleicht ganz aus Frankfurt weg. Schlimmstenfalls würde dies auch die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst tun, die noch immer keine Klarheit darüber hat, auf welchem Teil des Bockenheimer Areals ihr Neubau errichtet werden soll. Ein solches Debakel in Kooperation mit der Stadt zu verhindern wird einer der dringendsten Arbeitsaufträge für die neue Führung des hessischen Wissenschaftsministeriums sein.

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Im günstigsten Fall gelingt es nicht nur, rasch einen anderen Platz für das Max-Planck-Institut zu finden, sondern auch eine sinnvolle Nutzung für das Dondorf-Gelände, das nicht unter Denkmalschutz steht, aber industriegeschichtliche Bedeutung hat. Läuft es hingegen schlecht, verfällt die Druckerei nach jahrelangem Leerstand zur Ruine, oder es nisten sich dort Linksautonome ein, denen irgendwann infolge staatlicher Konfliktscheu ein Bleiberecht zugebilligt wird. Für beide Negativszenarien gibt es in Frankfurt schon Präzedenzfälle.

QOSHE - Rechtsbruch lohnt sich - Sascha Zoske
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Rechtsbruch lohnt sich

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10.01.2024

Die Aktivisten des Kollektivs „Die Druckerei“ können einander gratulieren: Ihr tagelanges Ausharren auf dem Dach der Dondorf-Druckerei in Frankfurt im Dezember hat sich gelohnt, der heldenhafte Widerstand gegen geballte „Polizeigewalt“ – von einem Besetzer gar mit einem blauen Auge bezahlt – war nicht vergebens. Die Max-Planck-Gesellschaft hat genug vom Gezerre um das alte Indus­triegebäude in Bockenheim, sie verzichtet auf dessen Abriss und will den Neubau ihres Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik an anderer Stelle errichten.

Wer allerdings den Rechtsstaat respektiert und den Wissenschaftsstandort Frankfurt gestärkt sehen will, wird ob dieser Nachricht keine Freude empfinden. Nicht nur die teils........

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