Würde die Überschrift der Pressemitteilung stimmen, müsste Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität in Frankfurt, nicht nur ein schmachvolles Scheitern eingestehen, sondern auch noch eine Anzeige wegen Körperverletzung fürchten: „Bau des neuen Studierendenhauses vor dem Aus – Unipräsidium ohrfeigt Studierendenschaft“, übertitelt der AStA seine Verlautbarung. Glücklicherweise ist der erste Teil falsch und der zweite selbst als Metapher schwer zu rechtfertigen. Niemand stellt infrage, dass auf dem neuen Westend-Campus eine Repräsentanz für die Studentenvertreter errichtet werden soll. Gut 15 Millionen Euro hierfür hat das Land schon vor Jahren zugesagt. Und von einem Diktat des Präsidiums, was in diesem Bauwerk untergebracht werden darf, kann auch keine Rede sein.

Lässt man die gewohnte AStA-Melodramatik einmal beiseite, bleibt ein handfestes Ärgernis: Die Errichtung des zugesagten Studentenhauses lässt nun schon seit zehn Jahren auf sich warten, und es wäre kein Wunder, wenn bis zum ersten Spatenstich noch mehr als zwölf Monate ins Land gehen würden. Unter anderem wegen der Klagen von Anwohnern, die Lärm von feiernden Hochschülern befürchteten, hat sich die Planung lange verzögert – und währenddessen sind die Baupreise drastisch gestiegen. Selbst bei optimalem Ablauf wäre das Vorhaben vermutlich teurer geworden als kalkuliert, aber in diesem Fall wirkt sich die Verkettung unglücklicher Umstände besonders misslich aus.

Der AStA sollte die Causa indes auch deshalb etwas vorsichtiger kommentieren, weil ihn an der Verschleppung eine Mitschuld trifft, wenn der Uni-Kanzler recht hat: Obwohl viele Rechtsexperten überzeugt gewesen seien, dass die Einsprüche der Nachbarn vor Gericht keine Chance hätten, habe die Studentenvertretung gegen den Rat des Präsidiums darauf bestanden, die Planungen auszusetzen, bis die Angelegenheit abschließend juristisch geklärt sei.

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Gegenseitige Anklagen werden allerdings die Zeitspanne bis zum Baubeginn gewiss nicht verkürzen. Jetzt gilt es, hart, aber konstruktiv zu verhandeln. Die künftige Landesregierung – vielleicht mit einem Wissenschaftsminister von der SPD – muss prüfen, inwieweit das Budget für den Bau erhöht werden kann. Der AStA wiederum wird wohl nicht umhinkommen, Abstrichen an dem Projekt zuzustimmen, das er selbst nicht mitfinanziert: Sind ein Kinosaal und eine Fahrradwerkstatt in dem Neubau wirklich unverzichtbar? Lässt sich eine ansprechende Architektur auch mit kleinerem Budget verwirklichen?

Antworten auf diese Fragen sollten rasch gefunden werden, sobald in Wiesbaden das neue Kabinett im Amt ist. Und selbst wenn das gelingt, könnte es sein, dass der AStA die letzte In­stitution der Goethe-Universität ist, die den alten Campus in Bockenheim verlässt. Das wäre nicht gerade eine Ohrfeige für die Studentenschaft, aber ein Nasenstüber schon.

QOSHE - Vielleicht geht es auch ohne Kinosaal - Sascha Zoske
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Vielleicht geht es auch ohne Kinosaal

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08.12.2023

Würde die Überschrift der Pressemitteilung stimmen, müsste Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität in Frankfurt, nicht nur ein schmachvolles Scheitern eingestehen, sondern auch noch eine Anzeige wegen Körperverletzung fürchten: „Bau des neuen Studierendenhauses vor dem Aus – Unipräsidium ohrfeigt Studierendenschaft“, übertitelt der AStA seine Verlautbarung. Glücklicherweise ist der erste Teil falsch und der zweite selbst als Metapher schwer zu rechtfertigen. Niemand stellt infrage, dass auf dem neuen Westend-Campus eine Repräsentanz für die Studentenvertreter errichtet werden soll. Gut 15 Millionen Euro hierfür hat das Land schon vor Jahren zugesagt. Und von einem Diktat des Präsidiums, was in diesem Bauwerk untergebracht werden darf, kann auch........

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