Jetzt ist es ja wieder etwas wärmer geworden, aber eben gerade, da war der Winter mit klammen Händen zu greifen. Eisiges Schneewetter trieb die Menschen vor ihre Heizkörper. Meist wird das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung anhand ihrer Wahrnehmung von Kriminalität und insbesondere Schwerverbrechen berechnet – außen vor bleibt dabei die Frage, wie sicher man sein kann, dass es zu Hause warm ist. In einer Wohlstandsnation sollte daran eigentlich kein Zweifel aufkommen. Ein funktionierendes Heizungssystem gehört hierzulande quasi zum bedingungslosen Daseinsrecht. Aber diese Bedingungslosigkeit bekommt gerade Risse.

Insbesondere Besitzer von Wärmepumpen – jenen neuen Statussymbolen eines klimagerechten Lebensstils – stehen derzeit vor der Herausforderung, nicht vom Glauben abzufallen. Da ist zunächst die schnöde Finanzseite. Wer überhaupt einen Monteur gefunden hat, der auf dem überhitzten Markt noch eine der teuer gewordenen Wärmepumpen ergattern konnte – die Nachfrage ist seit dem sogenannten Gebäudeenergiegesetz sprunghaft angestiegen, Insider sprechen von einem regelrechten „Auftrags-Tsunami“ –, der ärgert sich insbesondere bei niedrigen Außentemperaturen über hohe Betriebskosten. Bekanntlich werden Wärmepumpen mit Strom betrieben, und je kälter es wird, desto mehr wird davon gebraucht.

Vor allem in den östlichen Bundesländern ist der Strompreis zuletzt stark angestiegen, weil dort am meisten auf Windkraft gesetzt wird. Die hohen Kosten für den Anschluss der Windkraftanlagen werden aber nicht auf alle Verbraucher auf Bundesebene, sondern nur auf die Anwohner am Ort umgelegt. Das hat zur paradoxen Folge, dass etwa im reichen Bayern, das viel weniger grünen Strom produziert, die Kilowattstunde deutlich günstiger ist als im einkommensschwachen Brandenburg. Das ist ein erstes Ärgernis.

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Ein zweites kommt im Havariefall einer Wärmepumpe hinzu. Denn im Vergleich zu der mit – im Moment – preiswerterem Gas betriebenen Anlage des Nachbarn ist die Reparatur von defekten Wärmepumpen ungleich komplexer. Ein führender Hersteller von Wärmepumpen berichtet von aktuell bis zu 10.000 Anrufen pro Tag und einem technischen Dienst, der trotz Aufstockung nicht hinterherkommt. Die Monteure sind nach wie vor vollkommen überlastet und verweisen auf die Service-Hotline der Hersteller. Dort wird man wiederum an den jeweiligen Monteur als eigentlichen Vertragspartner zurückverwiesen, der irgendwelche „Tickets“ schreiben solle.

So sitzen also offenbar nicht wenige klimaschützende Bundesbürger gerade desillusioniert in ihren Häusern und warten verzweifelt auf einen Rückruf des Kundendienstes. Selig sind jene, die noch einen Ofen und etwas Holz in der Hinterhand haben. Am Ende bleibt auch die Bevölkerung eines um Klimagerechtigkeit bemühten Staates von Voraussetzungen abhängig, deren Erfüllung sie selbst nicht garantieren kann.

QOSHE - Kalt erwischt - Simon Strauss
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Kalt erwischt

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13.12.2023

Jetzt ist es ja wieder etwas wärmer geworden, aber eben gerade, da war der Winter mit klammen Händen zu greifen. Eisiges Schneewetter trieb die Menschen vor ihre Heizkörper. Meist wird das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung anhand ihrer Wahrnehmung von Kriminalität und insbesondere Schwerverbrechen berechnet – außen vor bleibt dabei die Frage, wie sicher man sein kann, dass es zu Hause warm ist. In einer Wohlstandsnation sollte daran eigentlich kein Zweifel aufkommen. Ein funktionierendes Heizungssystem gehört hierzulande quasi zum bedingungslosen Daseinsrecht. Aber diese Bedingungslosigkeit bekommt gerade Risse.

Insbesondere Besitzer von Wärmepumpen – jenen neuen Statussymbolen eines klimagerechten Lebensstils – stehen derzeit vor der Herausforderung, nicht vom........

© Frankfurter Allgemeine


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