Zum Bundesverfassungsgericht findet sich bisher nur wenig im Grundgesetz. Das hat historische Gründe: Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates waren sich beim Formulieren unserer Verfassung nicht einig, wie viel Macht sie dem Gericht geben wollten. So musste es sich seine starke Stellung in der Bonner Republik mühsam erarbeiten. Heute sind wir dankbar dafür.

Mittlerweile gibt es das Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Das sichert mit etlichen Regeln die Unabhängigkeit der Karlsruher Richter: Ihre Amtszeit ist auf zwölf Jahre begrenzt, ihre Wiederwahl verboten. So unterbleibt die Versuchung, sich diese durch politisch gefällige Urteile zu erkaufen. Die Zahl der Richter ist klar festgeschrieben, sie werden zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Außerdem bestimmt das Gericht seine Arbeitsweise weitgehend selbst. Dadurch wird verhindert, dass es durch die Politik instrumentalisiert wird.

All diese Regeln sind gut, aber nicht ausreichend: Denn das Bundesverfassungsgerichtsgesetz kann mit einfacher Mehrheit der Parlamentarier geändert werden. Ein Blick nach Polen zeigt, wie Machthaber das ausnutzen.

Um die Unabhängigkeit der Richter besser zu schützen, sollten die genannten Regeln im Grundgesetz stehen. Dafür zeichnet sich ein politischer Konsens ab. So wird das Sicherheitsnetz stärker: Um die Verfassung zu ändern, müssen zwei Drittel der Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates zustimmen. Das schafft kein politisches Lager allein. Aus demselben Grund verlangt das Bundesverfassungsgerichtsgesetz diese Mehrheit übrigens auch für die Wahl seiner Richter.

Viele sind skeptisch, ob auch diese Regel ins Grundgesetz sollte. Sie warnen vor einer Sperrminorität der AfD bei der Richterwahl, sollte sie mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellen. Doch diese Gefahr existiert wegen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes längst. Das Argument zieht nur dann, wenn man bereit ist, die Zweidrittelregel der Richterwahl mit einfacher Mehrheit aus dem Gesetz zu streichen, sollte die AfD stärker werden. Manche halten das für legitim: Der Zweck einer AfD-freien Richterbank heiligt ihrer Ansicht nach eine Änderung der Wahlregeln, die sie sonst vehement ablehnen. Wer aber anfängt, den Rechtsstaat auf solche Weise zu schützen, begibt sich auf einen gefährlichen Pfad.

Das Demokratieprinzip gebietet es, dass ab einer gewissen Fraktionsstärke alle politischen Strömungen Einfluss auf die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts nehmen. Die Wahlordnungen der Landesverfassungsgerichte berücksichtigen diesen Repräsentationsgedanken teils noch stärker: So werden in Hessen sechs der elf Richter des Staatsgerichtshofs in einer Verhältniswahl im Landtagsplenum bestimmt. Parlamentarische Minderheiten haben so eher eine Chance, einen Richter ins Amt zu bekommen. Solange es sich dabei nicht um einen Extremisten handelt, ist das ein Gewinn für die Rechtsprechung.

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Aber wie lässt sich verhindern, dass ein Extremist Verfassungsrichter wird? Das richtige Mittel dafür ist nicht, aus Angst vor einem bestimmten Wahlergebnis den Schutz Karlsruhes nur halbherzig in der Verfassung zu verankern. Das richtige Mittel ist eine Politik, die Extremisten nicht in Parlamente bringt.

QOSHE - Wie man Karlsruhe vor der AfD schützt - Stephan Klenner
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Wie man Karlsruhe vor der AfD schützt

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04.02.2024

Zum Bundesverfassungsgericht findet sich bisher nur wenig im Grundgesetz. Das hat historische Gründe: Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates waren sich beim Formulieren unserer Verfassung nicht einig, wie viel Macht sie dem Gericht geben wollten. So musste es sich seine starke Stellung in der Bonner Republik mühsam erarbeiten. Heute sind wir dankbar dafür.

Mittlerweile gibt es das Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Das sichert mit etlichen Regeln die Unabhängigkeit der Karlsruher Richter: Ihre Amtszeit ist auf zwölf Jahre begrenzt, ihre Wiederwahl verboten. So unterbleibt die Versuchung, sich diese durch politisch gefällige Urteile zu erkaufen. Die Zahl der Richter ist klar festgeschrieben, sie werden zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Außerdem bestimmt das Gericht seine Arbeitsweise weitgehend selbst. Dadurch wird verhindert, dass es durch die Politik........

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