Frühere Beamte des Verfassungsschutzes als mutmaßliche Spione Russlands: Der Fall erschüttert Österreich, auch wenn er manche Züge einer Provinzposse trägt. Aber für die „Zielpersonen“, die von den österreichischen Zuträgern ausgekundschaftet worden sind, ist die Sache überhaupt nicht lustig. Sie sind, soweit sie bislang bekannt sind, Leute, die aus diesen oder jenen Gründen dem russischen Regime als „Feinde“ gelten. Dass solche Leute Verfolgung bis hin zum Mord fürchten müssen, liegt längst auf schreckliche Weise zutage.

Unabhängig von Fragen strafrechtlicher Schuld, über die gegebenenfalls vor Gericht zu entscheiden ist, kann man über diese Vorgänge nur den Kopf schütteln. Der eine Staatsdiener – für welchen Staat auch immer – sitzt seit Karfreitag in Untersuchungshaft. Er hat den Vorwurf der Spionage für eine fremde Macht zum Nachteil ­Österreichs bestritten, nicht aber, dass er besagte Recherchen angestellt hat. Schon 2017 war er nach ersten Hinweisen aus dem Ausland vorläufig suspendiert worden, wurde aber als Polizist einfach in andere Behörden abgeschoben.

2021 wurde er verhaftet, aber vom Gericht wieder auf freien Fuß gesetzt. Er spionierte gleich weiter. Der andere ist ebenfalls vor drei Jahren festgenommen und verhört worden. Dann befand ein Wiener Gericht, es bestehe keine Fluchtgefahr. Nun lebt er angeblich in Dubai.

Österreich hat eine Rechtslage, mit der es sich schon während des Kalten Kriegs in wohlwollender Neutralität eingerichtet hat: Spionage ist nicht strafbar, solange sie sich nur nicht gegen Österreich selbst richtet. Dass Wien ein Tummelplatz für Agenten sei, ist nicht nur ein Klischee. Jetzt wird über Anpassungen diskutiert. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein, denn an das Prinzip der Neutralität traut sich bislang niemand heran. Und die Neigung, anderen auf die Füße zu treten (es gibt ja nicht nur Russen in Wien), ist nicht sehr ausgeprägt.

Aber unabhängig von der Rechtslage muss ein Wort über die Justiz im Land verloren werden. Nicht nur das Laissez-faire gegenüber den beiden der Spionage verdächtigten Männer zeugt von einer bemerkenswerten Unwucht. Bei „Staatsschutz“ scheinen Teile der Justiz reflexartig auf Abwehr zu schalten. Wenn dem eigenen Nachrichtendienst in einer an­onymen Anzeige vorgeworfen wird, er habe mit Südkorea gegen Nordkorea kooperiert oder mit dem Mossad, dann werden mögliche Rechtsverstöße jahrelang untersucht und in die Öffentlichkeit gezerrt, bis es doch zu Freisprüchen kommt. Ja, es wurde sogar eine Razzia im Verfassungsschutzamt angeordnet.

Dass die Geheimdienste Moskaus Unterwanderungsversuche unternehmen, ist keine landestypische Besonderheit. Gerade erst hat Deutschland das wieder erfahren müssen, als zwei mutmaßliche Saboteure verhaftet wurden. Aber es ist interessant, worauf die Russen in Österreich aus zu sein scheinen. Nämlich nicht so sehr auf klassische militärische Ziele der Spionage. Die Verfassungsschützer wurden vielmehr als eine Art Detektei mit direktem oder indirektem Zugang zu dienstlichen Datenbanken gebraucht.

Und dann ist da noch eine andere Frage: Wurden die Männer eingesetzt, Politiker und die öffentliche Meinung zu beeinflussen? Oder haben sie das aus eigenem Antrieb getan? Beide sollen eine Rolle gespielt haben, als ein Konvolut mit Insiderinformationen 2018 dem Büro des damaligen Innenministers Herbert Kickl zuging, das wiederum als Munition für besagte Razzia diente.

Der Schlag hatte offensichtlich den Zweck, die „schwarzen“, also ÖVP-nahen Netzwerke im Innenministerium zu zerstören, die dem „blauen“ FPÖ-Politiker Kickl zuwider waren. Vielleicht waren sie auch den beiden Beamten zuwider, deren Karriere ins Stocken geraten war. Parteipolitische Netzwerke in Behörden sind korrekturbedürftig, aber nicht so. Die von Kickl sowie der Korruptionsstaats­anwaltschaft zu verantwortende, rechtswidrige Razzia hat Österreichs Sicherheit einen Schaden zugefügt, der noch heute nachwirkt.

Wahrscheinlich ging es hier tatsächlich nur um politisches Kleingeld, denn die ÖVP hat unter Sebastian Kurz ja selbst nicht gerade russlandkritisch agiert. Weil er ihnen Material gegen die vermeintlich so machtbesessene ÖVP andiente, haben sich Politiker mehrerer anderer Parteien auf den zwielichtigen ­Ex-Verfassungsschützer eingelassen, auch liberale Neos oder ein (Ex-)Grüner. Da darf man im Wissen von heute zumindest einen Hauch von Selbstkritik erwarten.

Besonders dicht war der wechselseitige Informationsfluss mit der FPÖ. Die wiederum hat sich – von einem etwas angestaubten Freundschaftsvertrag von 2016 mit der Kreml-Partei bis hin zur heutigen Politik Kickls als Parteichef – den Ruf erworben, russlandnahe Positionen einzunehmen. Hier gibt es gerade vor der Parlamentswahl im Herbst noch einiges aufzuklären.

QOSHE - Russland zu Diensten - Stephan Löwenstein
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Russland zu Diensten

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20.04.2024

Frühere Beamte des Verfassungsschutzes als mutmaßliche Spione Russlands: Der Fall erschüttert Österreich, auch wenn er manche Züge einer Provinzposse trägt. Aber für die „Zielpersonen“, die von den österreichischen Zuträgern ausgekundschaftet worden sind, ist die Sache überhaupt nicht lustig. Sie sind, soweit sie bislang bekannt sind, Leute, die aus diesen oder jenen Gründen dem russischen Regime als „Feinde“ gelten. Dass solche Leute Verfolgung bis hin zum Mord fürchten müssen, liegt längst auf schreckliche Weise zutage.

Unabhängig von Fragen strafrechtlicher Schuld, über die gegebenenfalls vor Gericht zu entscheiden ist, kann man über diese Vorgänge nur den Kopf schütteln. Der eine Staatsdiener – für welchen Staat auch immer – sitzt seit Karfreitag in Untersuchungshaft. Er hat den Vorwurf der Spionage für eine fremde Macht zum Nachteil ­Österreichs bestritten, nicht aber, dass er besagte Recherchen angestellt hat. Schon 2017 war er nach ersten Hinweisen aus dem Ausland vorläufig suspendiert worden, wurde aber als Polizist einfach in andere Behörden abgeschoben.

2021 wurde er verhaftet, aber vom Gericht wieder auf freien Fuß gesetzt. Er........

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