An diesem Montag geht nach vier Jahren Vorbereitung das bundesweite Organspende-Register in Betrieb. Organspendewillige ebenso wie Menschen, die eine Organspende für sich ablehnen, können darin ihren Willen rechtlich verbindlich hinterlegen. Das Register ist Teil des 2020 beschlossenen „Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“, mit dem die Zahl der Organspenden in Deutschland erhöht werden soll.

Dass das Register nun endlich an den Start geht, wenn auch zunächst nur schrittweise, ist gut. Denn die Vorteile liegen auf der Hand: Eine online hinterlegte Zustimmung oder Ablehnung kann man nicht verlieren oder vergessen wie einen papierenen Organspendeausweis. Wer sich dort einträgt, kann sicher sein, dass sein Wille im Fall seines Todes bekannt wird; seinen Angehörigen erspart er damit, in einer ohnehin belastenden oder unerträglichen Situation eine schwierige Entscheidung treffen zu müssen. Transplantierenden Kliniken, die das Register voraussichtlich ab Juli einsehen können, erleichtert es Arbeit und Kommunikation.

Doch die Erwartungen in Fachkreisen, ob die Zahl der Organspenden durch das Register tatsächlich erhöht werden kann, sind gering. Zum einen weil die Eintragung aus datenschutzrechtlichen Gründen kompliziert ist: Man braucht dafür eine eID-Karte oder einen Personalausweis mit eID-Funktion und PIN-Nummer, seine Krankenversicherungsnummer und eine E-Mail-Adresse; EU- und EWR-Bürger benötigen einen elektronischen Aufenthaltstitel.

Und warum sollte jemand, der bisher keinen Papierausweis ausgefüllt hat, den umständlichen Weg über das Register wählen, um seine Entscheidung nun dort zu dokumentieren? In der Schweiz, wo ein ähnliches Register geführt wurde, trugen sich binnen drei Jahren weniger als zwei Prozent der Bevölkerung ein; es wurde mittlerweile wegen Datenschutzproblemen geschlossen.

Sollten sich diese Befürchtungen bewahrheiten, müssten sich die Abgeordneten des Bundestags eingestehen, dass sie 2020 das falsche Gesetz beschlossen haben – und die Gesellschaft müsste die Frage beantworten, welche Konsequenzen sie daraus ziehen will. Damals lehnte der Bundestag die Einführung einer Widerspruchsregelung ab, nach der Personen, die nicht zu Lebzeiten widersprechen (oder deren Angehörige nach ihrem Tod), zu potentiellen Organspendern würden. Er erließ stattdessen das Organspende-Stärkungsgesetz; einzelne weitere Punkte wurden 2022 im Transplantationsgesetz geändert.

Das Register ist die letzte der damals beschlossenen Maßnahmen. Transplantierende Kliniken erhalten seitdem bereits mehr Geld, die Stellung der Transplantationsbeauftragten dort wurde gestärkt, Bürgerämter sollen bei der Ausweisausstellung Organspendeausweise ausgeben, Hausärzte ihre Patienten auf das Thema ansprechen; von März bis September 2022 wurden dafür schon 1,7 Millionen Beratungsgespräche mit den Krankenkassen abgerechnet.

Bisher haben all diese Maßnahmen aber nicht zu einer Trendwende geführt; die Zahlen lagen 2023 mit 965 Spendern weit unter dem Höchststand des Jahres 2007 mit 1313 Organspendern. Allenfalls kann man sagen, dass sie sich von ihrem Tiefststand 2017 mit nur noch 797 Spendern wieder erholt haben.

Woran liegt das? Wurden die Maßnahmen nur halbherzig und viel zu langsam umgesetzt oder waren sie selbst zu halbherzig, um erfolgreich sein zu können? Leider trifft beides zu. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der vehement für die Widerspruchsregelung plädiert, hatte offenbar kein großes Interesse, schneller und konsequenter zu handeln, um andere Lösungen als diese zu befördern. Andernfalls hätte er womöglich schon längst einen Vorschlag für eine Neuregelung der Überkreuz- und Ketten-Lebendorganspende vorgelegt, die schon lange in der Prüfung ist.

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Genau diese freiwilligen Spenden wären aber jenseits der Widerspruchsregelung der beste Weg, um dem größten Mangel an Organen abzuhelfen, nämlich dem Mangel an Nieren. Auch dass man auf die Option verzichtete, Hausärzte nach einem Informationsgespräch eine mögliche Entscheidung in das Register eintragen zu lassen, und dass ein solcher Eintrag auch nicht, wie ursprünglich in Erwägung gezogen wurde, in Bürgerämtern möglich ist, dürfte sich als Hemmschuh für das Register erweisen.

Gleichwohl wird im Bundestag trotz eines aktuellen Entschließungsantrags mehrerer Bundesländer nicht damit gerechnet, dass über die Frage bald neu entschieden wird. Die Maßnahmen sollten erst konsequent angewandt, deren Wirkung abgewartet werden, heißt es. Für die Menschen, um die es geht, sieht das Ganze aus wie ein zynisches Spiel mit ihrer Zeit. Von der haben sie weniger, als die meisten anderen von sich glauben.

QOSHE - Ein Register der Halbherzigkeit - Susanne Kusicke
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Ein Register der Halbherzigkeit

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18.03.2024

An diesem Montag geht nach vier Jahren Vorbereitung das bundesweite Organspende-Register in Betrieb. Organspendewillige ebenso wie Menschen, die eine Organspende für sich ablehnen, können darin ihren Willen rechtlich verbindlich hinterlegen. Das Register ist Teil des 2020 beschlossenen „Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“, mit dem die Zahl der Organspenden in Deutschland erhöht werden soll.

Dass das Register nun endlich an den Start geht, wenn auch zunächst nur schrittweise, ist gut. Denn die Vorteile liegen auf der Hand: Eine online hinterlegte Zustimmung oder Ablehnung kann man nicht verlieren oder vergessen wie einen papierenen Organspendeausweis. Wer sich dort einträgt, kann sicher sein, dass sein Wille im Fall seines Todes bekannt wird; seinen Angehörigen erspart er damit, in einer ohnehin belastenden oder unerträglichen Situation eine schwierige Entscheidung treffen zu müssen. Transplantierenden Kliniken, die das Register voraussichtlich ab Juli einsehen können, erleichtert es Arbeit und Kommunikation.

Doch die Erwartungen in Fachkreisen, ob die Zahl der Organspenden durch das Register tatsächlich erhöht werden kann, sind gering. Zum einen weil die Eintragung aus........

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