Michelin gibt auf. Der französische Konzern stellt die Produktion von Lastwagenreifen in Deutschland binnen zwei Jahren ein. Ein Schock für mehr als 1500 Beschäftigte, deren Arbeitsplätze wegfallen werden, ob im traditionsreichen Werk in Karlsruhe oder im ohnehin vom Strukturwandel hart getroffenen Saarland.
Die Unternehmensführung beteuert, bis zuletzt um den Fortbestand der Fertigung gekämpft zu haben. Sogar ein innovatives, weil energiesparendes Herstellungsverfahren hat sich Michelin einfallen lassen, um seine Reifen zu backen. Doch am Ende haben die Entscheider in der Zentrale in Clemont-Ferrand einen Strich unter die Bilanz der deutschen Standorte gezogen und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Produktion in Deutschland keine Zukunft mehr hat.
Die hohen Kosten für Gas und Strom sind dabei der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Am Weltmarkt tummeln sich viele Anbieter, häufig von minderer Qualität. Aber Kunden schauen derzeit mehr denn je aufs Geld. Denn Lastwagen sind Investitionsgüter, deren Bilanz stimmen muss. Lkw-Maut und Personalengpässe sind hartnäckige Kostentreiber. Da wird dann lieber zum Niedrigpreismodell aus Fernost gegriffen anstatt zur europäischen Konkurrenz.
Man kann diese Entwicklung als logische Konsequenz internationaler Arbeitsteilung betrachten. Teile der Wertschöpfung wandern dorthin ab, wo sie günstiger stattfinden kann. Höher entwickelte Nationen müssen auf innovative Produkte und hochwertige Güter setzen. Genau deshalb aber müssen nach der Entscheidung von Michelin die Alarmglocken schrillen. Denn auch ein scheinbar ausgereiftes Produkt wie Lastwagenreifen bietet Innovationspotential, das allerdings nicht mehr ausreicht, um die anderen Nachteile zu kompensieren.
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Das Beispiel steht pars pro toto für andere Industriebranchen. Auch in der Stahlindustrie etwa können teure deutsche Standorte oft nur noch ihren Innovationsvorsprung als Argument zur Standortsicherung anführen. Doch andere Länder holen auf, und mit jeder Fabrik und jedem Industriearbeitsplatz verliert Deutschland auch Potential für Wachstum und Wohlstand. Deshalb muss das Gebot der Stunde mehr denn je lauten, dass der Staat endlich die versprochene Entbürokratisierung angeht und den Kostendruck durch Steuern und Abgaben verringert. Dafür bräuchte es nicht einmal neue Subventionen.