Bayer, Bosch, ZF Friedrichshafen und jetzt auch SAP – fast täglich legen deutsche Konzerne Pläne für groß angelegten Stellenabbau auf den Tisch. Am Mittwoch teilte der Softwarekonzern SAP mit, dass im Zuge einer Umstrukturierung 8.000 Arbeitsplätze wegfallen. Eine solche Ballung schlechter Nachrichten gab es – Finanzkrise und Pandemie waren Sonderfälle – zuletzt vor rund zwanzig Jahren.

Nach dem Platzen der ersten Internetblase stürzte die Wirtschaft damals in eine Rezession. Die anschließende Rosskur traf erstmals auch Beschäftigte in Branchen wie Banken und Versicherungen, für die es zuvor stets bergauf gegangen war. Diese schmerzhafte Umstrukturierungswelle bildete jedoch die Grundlage für viele, von Wachstum und Wohlstand geprägte Jahre in Deutschland. Angesichts der jüngsten Hiobsbotschaften stellt sich die Frage, ob der deutschen Wirtschaft eine ähnlich harte Anpassungsphase bevorsteht.

Wie in den Nullerjahren befindet sich die größte Volkswirtschaft des Kontinents abermals in einer Phase der Wachstumsschwäche. Damals galt Deutschland als der kranke Mann Europas. Im vergangenen Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt geschrumpft, für 2024 sieht es kaum besser aus. Der Standort leidet unter hohen Energiekosten und einer Regulierungsdichte, die vielen Unternehmen das Leben schwer macht und den Zugang zu neuen Märkten verbaut. Dazu kommen in vielen Konzerne aufgeblähte Strukturen. Das Management scheint oftmals vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Der neue Bayer-Chef Bill Anderson hat mit Schrecken festgestellt, dass zwischen ihm und seinen Kunden stolze zwölf Ebenen liegen – Lehmschichten, durch die vieles nicht mehr durchdringt. Deshalb will der Amerikaner sein Management „erheblich“ ausdünnen und den Einheiten mehr Verantwortung übertragen. Denn Fakt ist, dass die großen Pharmakonzerne schon seit Längerem an Innovationskraft eingebüßt haben.

Zu revolutionären Durchbrüchen scheinen nur noch kleine, bewegliche Start-ups in der Lage zu sein, siehe Biontech. „Big Pharma“ wird nur noch gebraucht, um das Geschäft schnell zu skalieren. Andersons Umwälzungen sind zweifellos eines der spannendsten Projekte in der deutschen Wirtschaft. Sollte er damit Erfolg haben, dürfte dies Schule machen. Denn die Probleme sind in anderen Branchen ähnlich gelagert. Von Mercedes etwa sind entsprechende Spekulationen zu vernehmen.

In einer von hohen Unsicherheiten geprägten Welt – geopolitische Spannungen, US-Wahl, Lieferkettenpro­bleme – sind Kostendisziplin und Profitabilität derzeit die überragenden Themen in den Managementetagen. Wenn die Vorstände in diesen Tagen die Bücher öffnen, werden ihre Bilanzen für das abgelaufene Geschäftsjahr daraufhin besonders beäugt werden. Während der Niedrigzinsphase standen die Zeichen lange auf Wachstum, die Schuldenberge wuchsen dabei munter an.

Doch diese Party ist vorbei. Nach der Zinswende durch die Notenbanken sind die Refinanzierungskosten in den Fokus gerückt. Personalanpassungen sind da ein probates Mittel. Im Unterschied zur großen Sparwelle vor zwanzig Jahren sind diesmal aber wohl keine Horrornachrichten vom Arbeitsmarkt zu erwarten. Denn durch den demographischen Trend schrumpft die Erwerbsbevölkerung schon seit Jahren. Abbauprogramme lassen sich häufig durch vorgezogene Renteneintritte stemmen, Stellen werden nicht nachbesetzt.

Zudem lassen einzelne Stellenstreichungen keine Rückschlüsse auf die Gesamtbeschäftigung zu. SAP geht davon aus, das Beschäftigungsniveau binnen Jahresfrist stabil zu halten, weil in Wachstumsfeldern wie der Künstlichen Intelligenz viele neue Jobs entstehen. Solche Verschiebungen gehören in Unternehmen zum Tagesgeschäft. Es sind nötige Anpassungen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Renditeschwache Unternehmensteile werden verkauft, verklei­nert oder geschlossen. Die Autozu­lieferer Bosch und ZF machen im Zuge der Umstellung auf Elektromobilität gerade leidvolle Erfahrungen.

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Die großen staatlichen „Rettungspakete“ während der Corona-Krise haben diese notwendige Auslese allerdings aufgeschoben. Unter dem Druck des Wettbewerbes muss nun vieles nachgeholt werden. Ob diese Einschnitte abermals die Grundlage für eine Phase langer Prosperität bilden, ist nicht ausgemacht. Vieles hängt von den politischen Rahmenbedingungen ab. Denn gerade die börsennotierten Konzerne machen einen Großteil ihres Geschäftes im Ausland, wo sie auch das Gros der Mitarbeiter beschäftigen. Sind die Bedingungen anderswo attraktiver, gerät der Standort unter Druck.

QOSHE - Die Party ist vorbei - Sven Astheimer
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Die Party ist vorbei

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25.01.2024

Bayer, Bosch, ZF Friedrichshafen und jetzt auch SAP – fast täglich legen deutsche Konzerne Pläne für groß angelegten Stellenabbau auf den Tisch. Am Mittwoch teilte der Softwarekonzern SAP mit, dass im Zuge einer Umstrukturierung 8.000 Arbeitsplätze wegfallen. Eine solche Ballung schlechter Nachrichten gab es – Finanzkrise und Pandemie waren Sonderfälle – zuletzt vor rund zwanzig Jahren.

Nach dem Platzen der ersten Internetblase stürzte die Wirtschaft damals in eine Rezession. Die anschließende Rosskur traf erstmals auch Beschäftigte in Branchen wie Banken und Versicherungen, für die es zuvor stets bergauf gegangen war. Diese schmerzhafte Umstrukturierungswelle bildete jedoch die Grundlage für viele, von Wachstum und Wohlstand geprägte Jahre in Deutschland. Angesichts der jüngsten Hiobsbotschaften stellt sich die Frage, ob der deutschen Wirtschaft eine ähnlich harte Anpassungsphase bevorsteht.

Wie in den Nullerjahren befindet sich die größte Volkswirtschaft des Kontinents abermals in einer Phase der Wachstumsschwäche. Damals galt Deutschland als der kranke Mann Europas. Im vergangenen Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt geschrumpft, für 2024 sieht es........

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