Wenn es noch eines Beweises bedurfte, welch undurchdringliches Firmendickicht der gefallene Starunternehmer René Benko in seinem Signa-Imperium geschaffen hat, dann hat ihn nun Insolvenzverwalter Christof Stapf erbracht. Sage und Schreibe 46 Seiten im DIN-A3-Format umfasst das vorläufige Organigramm der Gruppe. Das entspricht mehr als der Fläche einer Tischtennisplatte.

Selbst bei börsennotierten Konzernen mit Holdingstrukturen reichen meist wenige Blätter aus. Doch allein die Signa-Holding weist mehr als 50 direkte und dazu mehrere hundert mittelbare Beteiligungen an Gesellschaften aus. Wer soll da noch den Überblick behalten?

Offenbar kaum jemand. Denn, so Stapf weiter, es habe einen Mangel an übergreifendem Wissen unter den Managern gegeben. Welch ein Armutszeugnis. Deshalb will der Sanierungsverwalter ein Lenkungsgremium für die Gruppe installieren, um den Beteiligungswust überhaupt erst einmal steuerbar zu machen.

Dieser Offenbarungseid rückt Benko in den Mittelpunkt. Entweder hat er diesen Wust bewusst genutzt, um aus dem Hintergrund – ohne operativen Posten – dennoch als Einziger den Überblick zu behalten und Einzelinteressen gegeneinander ausspielen zu können. Oder aber der Apparat ist ihm irgendwann selbst über den Kopf gewachsen und sein Schöpfer war vor allem damit beschäftigt, durch immer mehr Wachstum den drohenden Kollaps hinauszuzögern.

In jedem Fall ist aus dem einstigen Wunderwuzzi – ein österreichischer Ausdruck für Alleskönner – längst ein hilfloser Zauberlehrling geworden, der nun mit Privatjet und Beteiligung am Chrysler-Building seine Insignien der Macht verliert.

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Im Zuge der Aufarbeitung muss deshalb auch die Rolle der Aufsichtsgremien geklärt werden. Darin saßen hochdekorierte Vertreter aus Politik und Wirtschaft, die offensichtlich ihre Aufgaben als Kontrolleure sträflich vernachlässigten. Statt dem Treiben einen Riegel vorzuschieben, nickten sie wohlwollend vieles einfach ab und sonnten sich nur allzu gerne im Glanze des Self-Made-Milliardärs. Zum Schaden der Gläubiger, die nun hoffen müssen, dass Stapf möglichst viel herauszuholen vermag.

Immerhin arbeiteten die Organe der Gesellschaft motiviert mit ihm zusammen, lässt der Jurist wissen, weshalb am Eigenverwaltungsverfahren nichts geändert werde. Bleibt zu hoffen, dass dabei die alten Strippen nicht mehr von Benko gezogen werden.

QOSHE - Oh Wunderwuzzi - Sven Astheimer
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19.12.2023

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, welch undurchdringliches Firmendickicht der gefallene Starunternehmer René Benko in seinem Signa-Imperium geschaffen hat, dann hat ihn nun Insolvenzverwalter Christof Stapf erbracht. Sage und Schreibe 46 Seiten im DIN-A3-Format umfasst das vorläufige Organigramm der Gruppe. Das entspricht mehr als der Fläche einer Tischtennisplatte.

Selbst bei börsennotierten Konzernen mit Holdingstrukturen reichen meist wenige Blätter aus. Doch allein die Signa-Holding weist mehr als 50 direkte und dazu mehrere hundert mittelbare Beteiligungen an Gesellschaften aus. Wer soll da noch den Überblick behalten?

Offenbar kaum jemand.........

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