Vielleicht sollte man GDL-Chef Claus Weselsky einfach mal dankbar sein. Ganz kurz jedenfalls. Die Bahn verurteilt die neuerliche Streikaktion ihrer Lokführer von Donnerstagabend bis Freitagabend zwar als „verantwortungslos“ und „egoistisch“. Die Gewerkschaft „vermiese“ Millionen Menschen das zweite Adventswochenende. Aber ganz eigennützig gedacht: besser den zweiten Advent als Weihnachten. Und zum Fest, das stellte Weselsky klar, gibt es keinen Ausstand mehr – sogar nicht mehr bis zum 7. Januar. Der vom Staatskonzern viel beschworene „Weihnachtsfrieden“ wird somit Realität.

Kurzfristig prima, mittelfristig ohne Belang. Denn niemand sollte erwarten, dass der höchst streitbare oberste Lokführer sich plötzlich als Friedensfürst profilieren will. Ganz im Gegenteil. Die Mitglieder seiner Gewerkschaft sind zur Urabstimmung aufgerufen, ein Ergebnis soll in der Vorweihnachtswoche vorliegen. Im Falle einer Dreiviertelmehrheit kann im neuen Jahr unbefristet gestreikt werden. Das ist umso wahrscheinlicher, als derzeit nichts auf eine irgendwie geartete Einigung im Tarifstreit hindeutet.

Die GDL-Forderung nach einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich wird von der Bahn als unerfüllbar abgewiesen. Viel zu teuer sei das, rechnet Weselskys Verhandlungsgegenpart, der Bahn-Personalvorstand Martin Seiler vor: Würde man den 35 Forderungen der Gewerkschaft nachkommen, würden die Personalkosten der DB um 50 Prozent steigen.

Weselsky wiederum will und muss liefern. Das ist er seiner kleinen Gewerkschaft schuldig, die nur überleben kann, wenn sie mehr herausholt als die Konkurrenz der dominanten Eisenbahngewerkschaft EVG. Und das ist er sich selbst schuldig – als Lautsprecher, dessen Ära im nächsten Jahr zu Ende geht und der entsprechend keinen Anlass hat, auf den letzten Metern zu schmalspurig aufzutreten.

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Das Jahr 2024 wird damit in jeder Hinsicht ein extrem spannendes Jahr für die Deutsche Bahn: Es beginnen Bauarbeiten in großem Umfang, um die Infrastruktur wieder in Schuss zu bringen. Und es muss eine wahrscheinlich großzügige Einigung mit einer renitenten Gewerkschaft her. Beides treibt die Kosten. Bahnfahren wird teurer, so viel ist sicher. Tatsächlich steigen schon vom kommenden Wochenende an mit dem neuen Fahrplan die Ticketpreise erheblich. Und das war noch „vor Weselsky“. Alles keine guten Nachrichten für die Kundschaft.

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Danke, Claus Weselsky!

3 0
07.12.2023

Vielleicht sollte man GDL-Chef Claus Weselsky einfach mal dankbar sein. Ganz kurz jedenfalls. Die Bahn verurteilt die neuerliche Streikaktion ihrer Lokführer von Donnerstagabend bis Freitagabend zwar als „verantwortungslos“ und „egoistisch“. Die Gewerkschaft „vermiese“ Millionen Menschen das zweite Adventswochenende. Aber ganz eigennützig gedacht: besser den zweiten Advent als Weihnachten. Und zum Fest, das stellte Weselsky klar, gibt es keinen Ausstand mehr – sogar nicht mehr bis zum 7. Januar. Der vom Staatskonzern viel beschworene „Weihnachtsfrieden“ wird somit Realität.

Kurzfristig prima, mittelfristig ohne Belang. Denn........

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