Gesichtswahrend – so sollen Tarifverträge letztlich ausfallen. Auch wenn beide Seiten sich in den Verhandlungen noch so hart beharkt haben: Am Ende müssen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter einen Abschluss als ihren Erfolg verkaufen können. Trifft das auf den jetzt zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL erzielten Kompromiss zu?

Auf den ersten Blick ja. GDL-Chef Claus Weselsky kann sich am Ende seiner wohl letzten Tarifrunde rühmen, für die eigene Klientel die 35-Stunden-Woche ohne Lohnkürzung durchgesetzt zu haben. Dazu kommen üppige Aufschläge in Form einer Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro und einer Lohnerhöhung von 420 Euro.

Die Bahn kann darauf verweisen, dass sich die Senkung der Wochenarbeitszeit über fünf Jahre hinzieht. Gerühmt wird die Flexibilität des „intelligenten“, „innovativen“ und „wegweisenden“ Abschlusses. Dieser Jubel passt jedoch weder zur scharfen Rhetorik der vergangenen Verhandlungen noch zu den ökonomischen Grundlagen.

Tatsächlich ist das Resultat vor allem eines für die Bahn: teuer. Noch vor drei Wochen geißelte Verhandlungsführer Martin Seiler die 35-Stunden-Woche als nicht erfüllbare Maximalforderung. Gar von einer massiven Gefahr für das Eisenbahnsystem sprach der Personalvorstand. Heute ist davon keine Rede mehr, im Gegenteil. Das Einigungsmodell gebe dem Unternehmen die Möglichkeit und die Kapazität, trotz Fachkräftemangels im Interesse der Kunden weiter zu wachsen, heißt es.

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Das Interesse der Kunden liegt aber vor allem darin, zu bezahlbaren Preisen mit pünktlichen Zügen durch Deutschland zu fahren. Ob der jetzt ausgehandelte Vertrag den Staatskonzern diesem Ziel näherbringt, ist mehr als fraglich. Am Ende müssen Bahnkunden und Steuerzahler die Zeche zahlen. Und auch für die GDL könnte sich der Abschluss als Pyrrhussieg erweisen. Schon wird in der Politik über Änderungen des Streikrechts diskutiert. Statt zwei Gewinner könnten damit zwei Verlierer vom Platz gehen.

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Teure Gesichtswahrung

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26.03.2024

Gesichtswahrend – so sollen Tarifverträge letztlich ausfallen. Auch wenn beide Seiten sich in den Verhandlungen noch so hart beharkt haben: Am Ende müssen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter einen Abschluss als ihren Erfolg verkaufen können. Trifft das auf den jetzt zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL erzielten Kompromiss zu?

Auf den ersten Blick ja. GDL-Chef Claus Weselsky kann sich am Ende seiner wohl letzten Tarifrunde rühmen, für die eigene Klientel die 35-Stunden-Woche ohne Lohnkürzung durchgesetzt zu haben.........

© Frankfurter Allgemeine


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