Geht doch: Berlin kann auch zweimal hintereinander pannenfreie geheime Wahlen abhalten, wie es im Grundgesetz steht. Dass die Bundestagswahl vom 26. September 2021 in Teilen der Hauptstadt auf Geheiß des Bundesverfassungsgerichts wiederholt werden musste, hatte alle nicht nur in Bayern gepflegten Vorurteile über Berlins Politik und Verwaltung bestätigt. In 455 von 2256 Wahlbezirken konnten damals Bürger nur unter großen Mühen oder gar nicht ihre Stimme abgeben, weil die staatlichen Stellen organisatorisch überfordert waren.

Die gleichzeitig stattgefundene Wahl zum Abgeordnetenhaus und den Bezirken wurde vor einem Jahr gar komplett wiederholt und brachte die CDU zurück ins Rote Rathaus.

Schlendrian, schwarzer und roter Filz, Größenwahn und Unfähigkeit waren über Jahrzehnte nicht ganz zu Unrecht die Begriffe, mit denen (West-)Berliner Senate verbunden wurden. Bankenskandal und Flughafendebakel standen für krasses Politikversagen auf Hauptstadtniveau. Nur etwas mehr als die Hälfte der rund 500.000 abermals zur Wahl aufgerufenen Berliner gab diesmal ihre Stimme ab und schmälerte so das politische Gewicht Berlins im Bundestag. Vier Bundestagsmandate und damit Einfluss im Bund gingen dank dieser Wahlmüdigkeit verloren.

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Die Kanzlerpartei SPD kann sich die Minibundestagswahl nur oberflächlich schönrechnen. Zwar bleibt sie im Berliner Gesamtergebnis weiter stärkste Kraft, doch in den betroffenen Wahlbezirken sieht es mit Verlusten von fast acht Prozentpunkten düster für die Sozialdemokraten aus. Ähnlich schlimm trifft der Stimmungstest den vom Untergang bedrohten Ampelpartner FDP, während die Grünen stabil bleiben. Die CDU mit Merz als Kanzler(kandidat) in spe profitiert dort zwar vom Scholz-Malus und Ampel-Verdruss. Doch auch die AfD kann trotz der Massendemos gegen sie mit einer in U-Haft sitzenden rechtsextremen Möchtegern-Putschistin als Kandidatin in einem zutiefst bürgerlichen Bezirk deutlich zulegen. Eine verstörende Botschaft.

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Verstörende Botschaften aus Berlin

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13.02.2024

Geht doch: Berlin kann auch zweimal hintereinander pannenfreie geheime Wahlen abhalten, wie es im Grundgesetz steht. Dass die Bundestagswahl vom 26. September 2021 in Teilen der Hauptstadt auf Geheiß des Bundesverfassungsgerichts wiederholt werden musste, hatte alle nicht nur in Bayern gepflegten Vorurteile über Berlins Politik und Verwaltung bestätigt. In 455 von 2256 Wahlbezirken konnten damals Bürger nur unter großen Mühen oder gar nicht ihre Stimme abgeben, weil die staatlichen Stellen organisatorisch überfordert waren.

Die gleichzeitig stattgefundene Wahl zum........

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