Das Landgericht München I musste sich am Dienstag mit einer Klage des Schutzverbandes Nürnberger Bratwürste beschäftigen, eines Vereins von Leuten, die in Nürnberg Würste mit der entsprechenden EU-rechtlich „geschützten geografischen Angabe“ produzieren. Der Beklagte und möglicherweise Beklagenswerte ist ein Wurstproduzent aus Niederbayern, der „Mini Rostbratwürstchen“ vertreibt, wohlgemerkt ohne die Bezeichnung „Nürnberger“. Dennoch stören sich die Nürnberger am Namen, an der Produktaufmachung sowie insbesondere an der Nürnberger-typischen geringen Größe der niederbayerischen Würstchen. Sie begehren Unterlassung. Das Gericht muss nun also klären, was zum Da- und Sosein Nürnberger (Rost)Bratwürste gehört und ob der Niederbayer fälschlicherweise den Eindruck erweckt, seine Würste stammten aus Nürnberg, was auf anderen Gebieten als den würstlichen ja nicht unbedingt ein Vorteil wäre.
Produktstreitigkeiten wie diese gibt es immer wieder, ob es um Parmaschinken, Emmentaler oder Solinger Messer geht. Aber die Wurst in all ihren Ausprägungen (Weißwurst, Ahle Wurscht, etc.) ist doch ein Sonderfall. Dass es sich bei ihr zugleich um eine Lappalie und eine Sache von größter Bedeutung handelt, außerdem um eine emotionale Angelegenheit, zeigen die Redewendungen, in die sie Eingang gefunden hat: „Ist eh Wurst“, „Es geht um die Wurst“, „Armes Würstchen“.
Der jetzige Streit birgt aber noch eine zusätzliche Brisanz, denn Nürnberg vs. Niederbayern bildet nun einmal eins zu eins die momentane Frontstellung im bayerischen Kabinett nach: Markus Söder, der in Nürnberg geborene Ministerpräsident, gegen den eingefleischten Niederbayer Hubert Aiwanger. Söders Stellvertreter ist ein großer Freund des Herkunftsschutzes. Er hat sich sogar ins Zeug geworfen für „regionaltypische Geräusche und Gerüche“ wie das Hahnenkrähen oder den Backstubenduft. Söder wiederum erweckt zwar hin und wieder durch das Tragen eines Trachtenjankers den Eindruck, als stamme er selbst aus Niederbayern, beim Thema Wurst ist er aber Purist: Kürzlich etwa postete er Fotos vom bayerischen Metzger Cup, versehen mit der Zusicherung: „Fleisch und Wurst haben in Bayern quasi Verfassungsrang“. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb mal über ihn sehr hübsch, wenn auch einen der zuletzt in Verruf gekommenen Hundevergleiche verwendend: „Wahrscheinlich verhält es sich mit Söder und der Macht wie mit dem Hund und der Wurst: Sobald die Wurst in Reichweite liegt, ist es keine freie Entscheidung mehr für den Hund.“ Und fürs Gericht? Bis Redaktionsschluss ward noch kein Urteil gefällt.