Bisher gehörte das Skifahren zu den Kulturtechniken, die man den Nachkommen gern mit auf den Lebensweg geben wollte. Nicht so wichtig wie Schwimmen, Schuhebinden oder Radfahren, aber doch auf einer Stufe mit Klavierspielen oder guten Französischkenntnissen.

Man braucht Skifahren nicht zum Leben. Aber es ist ein Nice-to-have. Es zeigt anderen, dass man einen gewissen Background hat, so wie F.A.Z.-Lesen in der S-Bahn. Sowieso verraten die Leute auf der Piste, obschon bis zur Unkenntlichkeit eingemummelt, viel über sich selbst.

Anhand ihrer Skiführung – eng oder nicht eng – kann man darauf schließen, wann sie das Fahren gelernt haben. Hat einer altes Material und fährt trotzdem exzellent, sagt das viel Gutes über diesen Menschen. Andere, die es trotz bester Ausrüstung nicht können, nähren die Hoffnung, dass es auf dieser Welt noch Sachen gibt, die man sich nicht kaufen kann.

Der Aufwand, Skifahren zu lernen, war immer schon beträchtlich, zumal es die wenigsten Eltern ihren Kindern vernünftig beibringen können. Er dürfte künftig noch größer werden, vor allem wegen des Klimawandels. Während man früher aus vielen Orten etwa in Süddeutschland Tagestouren mit dem Skiklub machen konnte, für überschaubares Geld und mit ein paar Wurstbroten von der Mama in der Tupperdose, muss man nun immer öfter in höhere Gefilde, die so weit weg sind, dass sich die Reise nur lohnt, wenn man gleich ein paar Tage bleibt.

Klimatechnisch ist das sinnvoll, es spart Anfahrten. Es bedeutet aber auch, dass sich immer weniger Leute das Skifahren leisten können. Man kann das gut finden, im Sinne der Band Die Ärzte: „Es ist zwar etwas teurer hier, dafür ist man unter sich.“ Aber auch schade: Die gastronomische Entwicklung etwa in München zeigt, wie öde es ist, wenn sich unter den Gästen fast nur noch Übersättigte finden. Im Übrigen lebt ja auch Distinktion davon, dass man denen, von denen man sich abheben will, hin und wieder begegnet.

Würde die Welt etwas verlieren, wenn nur noch ein paar wenige Skifahren könnten? Die Natur sicher nicht. Aber der ist es ja ohne den Menschen eh am liebsten. Für die Leute, die vom Skifahren leben, Hoteliers, Liftbetreiber, wäre es hart, zumal man in alpinen Gebieten nicht einfach umsatteln kann. Auch für viele Skifahrer ginge etwas verloren. Die Skigebiete sind im Winter wundersame Orte: Man erkennt das schon daran, dass man um 11 Uhr mit dem Trinken anfangen kann, ohne komisch angeschaut zu werden.

Hier oben verschwimmt manch harte Kontur: Skifahren ist halb Sport, halb Sünde, die Piste halb Natur, halb Architektur. Selten begegnet man so schnell so vielen Menschen – und entfernt sich ebenso schnell wieder von ihnen. Man kann die Skier vor der Hütte liegen lassen, ohne dass einer sie klaut. Auf dem Berg sehen die Leute auch besser aus als unten: Wie grazil es sein kann, wenn jemand mit Skischuhen tanzt!

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Zur Wahrheit gehört aber auch: Das Skifahren im Skiurlaub ist mindestens so sehr Anlass wie Grund. Man erkennt das daran, dass viele die Liftzeiten bei Weitem nicht ausreizen. Der Skiurlaub profitiert auch davon, dass es zwischen Januar und März sonst wenig Highlights gibt. Nur deswegen interessieren sich die Leute ja auch für die Vierschanzentournee oder das Dreikönigstreffen der FDP.

Es werden sich andere Weltfluchten finden. Die große Zeit des Skifahrens, der Skilehrer, der Skihaserl geht jedenfalls zu Ende. Aus ökologischen, aus gesellschaftlichen Gründen. Ein bisschen traurig. Aber es gibt Schlimmeres, zumal in diesen Zeiten.

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Zwei Bretter, die die Welt bedeuteten

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12.02.2024

Bisher gehörte das Skifahren zu den Kulturtechniken, die man den Nachkommen gern mit auf den Lebensweg geben wollte. Nicht so wichtig wie Schwimmen, Schuhebinden oder Radfahren, aber doch auf einer Stufe mit Klavierspielen oder guten Französischkenntnissen.

Man braucht Skifahren nicht zum Leben. Aber es ist ein Nice-to-have. Es zeigt anderen, dass man einen gewissen Background hat, so wie F.A.Z.-Lesen in der S-Bahn. Sowieso verraten die Leute auf der Piste, obschon bis zur Unkenntlichkeit eingemummelt, viel über sich selbst.

Anhand ihrer Skiführung – eng oder nicht eng – kann man darauf schließen, wann sie das Fahren gelernt haben. Hat einer altes Material und fährt trotzdem exzellent, sagt das viel Gutes über diesen Menschen. Andere, die es trotz bester Ausrüstung nicht können, nähren die Hoffnung, dass es auf dieser Welt noch Sachen gibt, die man sich nicht kaufen kann.

Der Aufwand, Skifahren zu lernen, war immer schon beträchtlich, zumal es........

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