Erfolge soll man feiern, bei der Deutschen Lufthansa folgt aber der große Vorstandsumbau. Was angesichts eines erwarteten operativen Milliardenergebnisses zunächst bizarr wirkt, ist es indes keineswegs. Die starke Erholung aus dem Corona-Tal wurde mit vielen Reibungsverlusten erreicht. Das schlägt sich auch aktuell in den vielen Tarifkonflikten im Konzern nieder. Und die starke Marktposition, die es besonders auf dem deutschen Heimatmarkt ermöglicht, hohe Ticketpreise durchzusetzen, ist kein Anlass zum Ausruhen – vor allem dann nicht, wenn Kunden mosern.

Lufthansa hat eine neue Kabinenausstattung entwickelt, für die der Konzern viel Lob bekommt. Der Schönheitsfehler: Noch sitzt kein Passagier auf den neuen Stühlen, die haben nämlich Verspätung. Lufthansa hat viele hilfreiche Digital-Tools für den Kundenkontakt entwickelt, aber über den Gesamtkonzern passen sie nicht bruchlos zusammen. An Kompetenzen, um zu erkennen, wo Innovation nötig ist, mangelt es offensichtlich nicht, doch in der Umsetzung gerät nicht alles zielgerichtet.

Der Aufsichtsrat ist daher zu dem Schluss gekommen, dass gute Zusammenarbeit ganz oben – im Konzernvorstand – anfangen muss. Zu oft hatten sich die Spitzenmanager über Jahre auch mal beharkt. So darf es nicht weitergehen. Schließlich will man nicht bloß die größte deutsche Fluggesellschaft sein, sondern dauerhaft zu den Top fünf der Welt zählen.

Das auffälligste an der Umbaumeldung ist, wie deutlich der Aufsichtsrat mehr Teamgeist anmahnt – eine Botschaft, die sich auch die richtet, die bleiben: an Personalvorstand Michael Niggemann, der sogar mehr Aufgaben bekommt, und an Vorstandschef Carsten Spohr.

Der brachial wirkende Umbau ist die richtige Konsequenz, wann ist es schon mal vorgekommen, dass in einem Großkonzern zwei Drittel des Vorstands auf einen Schlag umbesetzt werden? Allzu brutal ist das aber nicht. Der Aufsichtsrat nutzt einen günstigen Moment. Zwei Amtszeiten im Vorstand liefen ohnehin aus, die Posteninhaber Harry Hohmeister und Detlev Kayser stand zudem an dem Punkt, dass sie in der Vergangenheit wegen der bis vor kurzem gepflegten Altersgrenze sowieso hätten aufhören müssen.

Einen großen Fehler hat sich kein Vorstand vorzuwerfen, dennoch ist die Zeit reif für einen Wandel. Ein besserer Zeitpunkt für den großen Umbruch hätte sich nicht mehr gefunden. Das mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu kommunizieren, ist dem Aufsichtsrat gelungen.

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Vieles hat Lufthansa gut gemacht. Dennoch ist der Konzern aus Sicht der Kontrolleure nicht in allen Punkten auf der Höhe der Zeit. Das soll sich mit neuem Personal ändern. Zugleich gibt es der Aufsichtsrat eine Warnung aus, dass er doch nicht bloß stiller Beobachter ist.

Verbesserungsbedarf gibt es auch beim internen Aufbau von Führungskräften. Vorstandschef Spohr hat den Konzern besonders geprägt, sein Vertrag läuft bis 2028 – dann wird er 14 Jahre an der Spitze stehen. Doch mögliche Nachfolger sind intern nicht in Sicht. Nun soll er selbst sich stärker um die Führungskräfte im Konzern kümmern, damit nicht in ein paar Jahren der nächste Paukenschlag des Aufsichtsrats folgen muss. Das Kontrollgremium hat gerade viel Weitsicht bewiesen.

QOSHE - Lufthansa ist reif für den Wandel - Timo Kotowski
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Lufthansa ist reif für den Wandel

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23.02.2024

Erfolge soll man feiern, bei der Deutschen Lufthansa folgt aber der große Vorstandsumbau. Was angesichts eines erwarteten operativen Milliardenergebnisses zunächst bizarr wirkt, ist es indes keineswegs. Die starke Erholung aus dem Corona-Tal wurde mit vielen Reibungsverlusten erreicht. Das schlägt sich auch aktuell in den vielen Tarifkonflikten im Konzern nieder. Und die starke Marktposition, die es besonders auf dem deutschen Heimatmarkt ermöglicht, hohe Ticketpreise durchzusetzen, ist kein Anlass zum Ausruhen – vor allem dann nicht, wenn Kunden mosern.

Lufthansa hat eine neue Kabinenausstattung entwickelt, für die der Konzern viel Lob bekommt. Der Schönheitsfehler: Noch sitzt kein Passagier auf den neuen Stühlen, die haben nämlich Verspätung. Lufthansa hat viele hilfreiche Digital-Tools für den Kundenkontakt entwickelt, aber über den........

© Frankfurter Allgemeine


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