Am Neujahrsabend ist es wieder so weit: Im ZDF geht das „Traumschiff“ auf Reisen, vor mehr als 40 Jahren legte der Fernsehdampfer erstmals ab. Geblieben ist in all der Zeit, dass die Sendung für hohe Einschaltquoten sorgt. Verändert hat sich, dass im realen Leben viel mehr Menschen mit Schiff urlauben, das Ambiente unterwegs aber weniger mit der Fernsehkulisse gemein hat. Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte begann, als Reeder vor rund zwei Jahrzehnten das Gediegene bis Steife von Bord verbannten. Niedrigere Preise begünstigten das Wachstum – möglich waren sie durch mehr Standardisierung.

Das Fernseh-Traumschiff mag am Neujahrstag Indonesien ansteuern, in der Realität sind Exotenziele selten. Im Sommer geht es oft auf wiederkehrenden Rundkursen durchs Mittelmeer oder nach Skandinavien, im Winter rund um die Kanaren oder durch die Karibik. Das ist kalkuliert.

Denn Urlauber stört es bislang nicht, dass ihnen meist nur ein kleiner Ausschnitt der Welt angeboten wird. Rund drei Millionen Passagiere aus Deutschland gingen zuletzt im Jahr an Bord, die Corona-Delle ist ausgeglichen. Die Reeder peilen vier Millionen an. Von solchen Prognosen können die Anbieter von Flugpauschalreisen zu Zielen an Land nur träumen. Ihr Kundenkreis ist nach happigen Preiserhöhungen im Vergleich zu Vor-Corona-Werten geschrumpft. Gäbe es nicht die Kreuzfahrten, sähe die jüngste Bilanz der Reisewirtschaft düsterer aus.

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Die Kehrseite ist, dass die immer größeren Schiffe auch viele kritische Blicke auf sich ziehen. Noch immer ist der Hauptantriebsstoff Öl, das verbrannt werden muss, weil den Urlaubern das Erlebnis geboten werden soll, an jedem Morgen an einem anderen Ort aufzuwachen. Auch wenn die Branche beteuert, seit jeher auf schonenden Tourismus aus zu sein: Aus reiner Gutmütigkeit haben Reedereien nicht große Investitionen für emissionsärmere Fahrten angestoßen. Ihnen bleibt keine andere Wahl, Kunden schauen genauer hin, die Regulierung wird strenger.

Dass manche Reederei zunächst eilig Flüssiggas als Ölersatz zum beinahe alleinigen Heilsbringer erklärte, war eine zu simple Botschaft. Die klimaneutrale Kreuzfahrt kam damit nicht. Dafür ist mehr nötig – bis hin zu synthetischen Kraftstoffen, auf die die Luftfahrt auch noch wartet. Auf dem Zukunftskurs bleiben Klippen, aber mittlerweile haben viele Reeder die ernsthaft im Blick.

QOSHE - Nicht wie auf dem Traumschiff - Timo Kotowski
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Nicht wie auf dem Traumschiff

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01.01.2024

Am Neujahrsabend ist es wieder so weit: Im ZDF geht das „Traumschiff“ auf Reisen, vor mehr als 40 Jahren legte der Fernsehdampfer erstmals ab. Geblieben ist in all der Zeit, dass die Sendung für hohe Einschaltquoten sorgt. Verändert hat sich, dass im realen Leben viel mehr Menschen mit Schiff urlauben, das Ambiente unterwegs aber weniger mit der Fernsehkulisse gemein hat. Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte begann, als Reeder vor rund zwei Jahrzehnten das Gediegene bis Steife von Bord verbannten. Niedrigere Preise begünstigten das Wachstum – möglich waren sie durch mehr Standardisierung.

Das Fernseh-Traumschiff mag am Neujahrstag........

© Frankfurter Allgemeine


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