Worin unterscheidet sich die Schuldenbremse des Grundgesetzes von jenem Regelwerk, das jetzt zum Schuldenabbau innerhalb der EU beitragen soll? Der Kontrast liegt nicht nur im Namen, der zeigt, dass der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ mehrere Ziele hat und der Schuldenabbau allenfalls abstrakt akzeptiert ist.
Der größte Unterschied besteht darin, dass die deutsche Schuldenbremse vom Bundesverfassungsgericht durchgesetzt wird. Die Karlsruher Richter orientieren sich am Recht und nicht an den politischen Folgen ihrer Entscheidungen. In Brüssel wendet die EU-Kommission den Pakt seit je nach politischen Maßstäben an. Der Europäische Gerichtshof ist ihr noch nie in die Quere gekommen.
Die abermalige Reform des Regelwerks ist vor diesem Hintergrund inhaltlich keine Überraschung. Sie setzt den seit vielen Jahren andauernden Todeskampf des Pakts nur fort. Das ursprüngliche Ziel der Neugestaltung wurde komplett verfehlt: Die schon bisher kaum verständlichen Regeln sind abermals komplizierter geworden. Die entscheidende Neuerung besteht darin, dass die Kommission die Haushaltsaufsicht mit noch größerem Entscheidungsspielraum betreiben kann als bisher.
Sie kann mit jedem Mitgliedstaat einen „maßgeschneiderten“ Schuldenabbau aushandeln. Die dafür vorgesehene Frist von mindestens vier Jahren macht die schon jetzt praktizierte Brüsseler Nachsicht zur rechtlich abgesicherten Regel. Damit setzt sich die Politisierung fort, die den Pakt geprägt hat, seit Deutschland und Frankreich 2003 erstmals gegen ihn verstoßen haben.
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Die von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ausgehandelten „Sicherheitslinien“ ändern daran allenfalls graduell etwas, denn am Ende werden auch sie von der Kommission angewendet. Der grüne Koalitionspartner sieht das genauso. Robert Habeck hält es für das wichtigste Ergebnis, dass die Staaten endlich Spielraum für Investitionen hätten. Das hätte der französische Finanzminister nicht besser formulieren können.