Die EU-Kommission hat es nicht leicht, denn ihr Vorschlag für ein „Europäisches Verteidigungsindustrie-Programm“ lässt sich mit ganz unterschiedlichen Argumenten kritisieren. EU-Indus­triekommissar Thierry Breton hat ja recht, wenn er sagt, das Zeitalter der „Friedensdividende“ sei vorbei. Warum sich aber die damit aufgeworfenen Fragen, betreffend speziell den Nachholbedarf der EU-Staaten in der Beschaffung neuer Waffen und Munition, mit französisch inspirierten „Buy-European“-Appellen beantworten lassen, sagt Breton nicht. Auch sind die 1,5 Milliarden Euro, die die EU in ihrem Haushalt für den gemeinsamen Waffenkauf der Mitgliedstaaten zusammengekratzt hat, nicht eben beeindruckend.

Natürlich würde Breton gerne erheblich mehr aus EU-Mitteln ausgeben, und er stünde sicher auch einem Waffenkauf der EU-Kommission selbst nicht im Wege. Solche Ideen scheitern aber bis auf Weiteres an den Mitgliedstaaten, die sehr unterschiedliche rüstungspolitische Vorstellungen haben und allenfalls darin einig sind, dass sie die Kommission keine europäische Verteidigungspolitik machen lassen wollen. In der EU hat sich auch die richtige Erkenntnis durchgesetzt, dass die in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerte nicht mal eben für die Rüstungsfinanzierung oder zumindest für die Unterstützung der Ukraine eingesetzt werden können.

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Es überrascht also nicht, dass Breton die immer populäre Europäische Investitionsbank (EIB) für die Finanzierung ins Spiel bringt. Er will nicht nur ihr Mandat ins fast Unermessliche dehnen. Er ignoriert auch, dass sowohl die EIB selbst als auch ihre Kapitalgeber, die Mitgliedstaaten, die Rüstungsfinanzierung bislang klar ablehnen. Insofern überrascht genauso wenig, dass der Franzose seinen Vorschlag aufrecht erhält, die vom Herbst an amtierende neue Kommission müsse einen schuldenfinanzierten 100-Milliarden-Euro-Verteidigungsfonds auf den Weg bringen. Wo es eine existenzielle Krise gebe, sei in der EU auch ein (Schulden-) Weg, sagt Breton sinngemäß. Die Erfahrung der Corona-Krise gibt ihm zwar recht. Eine Rechtfertigung für einen abermals schuldenfinanzierten Rüstungsfonds ist der Corona-Fonds aber wirklich nicht.

QOSHE - Die EU muss sich ehrlich machen - Werner Mussler, Brüssel
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Die EU muss sich ehrlich machen

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05.03.2024

Die EU-Kommission hat es nicht leicht, denn ihr Vorschlag für ein „Europäisches Verteidigungsindustrie-Programm“ lässt sich mit ganz unterschiedlichen Argumenten kritisieren. EU-Indus­triekommissar Thierry Breton hat ja recht, wenn er sagt, das Zeitalter der „Friedensdividende“ sei vorbei. Warum sich aber die damit aufgeworfenen Fragen, betreffend speziell den Nachholbedarf der EU-Staaten in der Beschaffung neuer Waffen und Munition, mit französisch inspirierten „Buy-European“-Appellen beantworten lassen, sagt Breton nicht. Auch sind die 1,5 Milliarden Euro, die die EU in ihrem Haushalt für den........

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