Margrethe Vestager meinte darauf hinweisen zu müssen, dass die EU-Kommission zum letzten Mal in den neunziger Jahren ein Unternehmen wegen der Ausbeutung eines Konkurrenten bestraft habe, dass es damals um Bananen ging und dass das doch eine hübsche Vorgeschichte zum jetzt entschiedenen Apple-Musikstreaming-Fall sei. Es könnte sein, dass der Kalauer der EU-Wettbewerbskommissarin die Fragen beiseiteschieben soll, die die Kommissionsentscheidung im Streamingdienste-Fall aufwirft, denn: Die Höhe der Kartellbuße gegen Apple erklärt sich nur zu einem ganz geringen Teil damit, dass das Unternehmen wegen des von der Kommission festgestellten Fehlverhaltens „bestraft“ werden muss.

Der satte (und viel höher als erwartet ausgefallene) Betrag von 1,84 Milliarden Euro hat fast ausschließlich den Zweck, abschreckend zu wirken – auf Apple selbst, aber auch auf die anderen großen Digitalunternehmen, die als „Türsteher“ auf Teilmärkten Konkurrenten verdrängen, behindern oder ausbeuten. Es ist das erste Mal, dass ein solches Bußgeld fast ausschließlich zur Abschreckung verhängt wird.

Ob das grundsätzlich funktionieren und ob Apple das hohe Bußgeld nicht immer noch aus der Portokasse zahlen kann, ist die eine Frage. Die andere lautet, warum die EU-Wettbewerbsbehörde den Fall ausgerechnet in der Woche zum Abschluss bringt, in der für die großen Digitalunternehmen (unter ihnen Apple) eine wichtige Frist endet: Bis Donnerstag müssen sie in Brüssel erklären, wie sie im einzelnen die umfangreichen Auflagen des EU-Digitalgesetzes (Digital Markets Act, DMA) einhalten werden.

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Das gilt umso mehr, als der DMA im konkreten Fall einschlägig ist. Apples an Drittanbieter gerichtetes Verbot, Nutzer auf günstigere Bezugsalternativen außerhalb des App Store von Apple hinzuweisen („Anti-Lenkungsverpflichtung“) ist künftig verboten. Die EU-Wettbewerbskommissarin hat offenbar kein allzu großes Vertrauen in den von ihr als großen Erfolg gefeierten DMA, wenn sie das künftige Verbot mit einer Abschreckungs-Kartellbuße in einem konkreten Fall verknüpft.

Dass Apple gegen die Kommissionsentscheidung klagen will, ist keine Überraschung; es geht um ein extrem wichtiges Geschäftsmodell. Die Aggressivität, mit der die Apple-Anwälte diesmal schon vorab die Kommission öffentlich kritisiert haben, lassen jedenfalls darauf schließen, dass das Unternehmen an gute Chancen in Luxemburg glaubt. Vestager muss das nicht mehr interessieren. Bis Apples Klage entschieden ist, wird sie mit Sicherheit nicht mehr im Amt sein.

QOSHE - Diese Strafe soll die Tech-Riesen abschrecken - Werner Mussler, Brüssel
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Diese Strafe soll die Tech-Riesen abschrecken

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04.03.2024

Margrethe Vestager meinte darauf hinweisen zu müssen, dass die EU-Kommission zum letzten Mal in den neunziger Jahren ein Unternehmen wegen der Ausbeutung eines Konkurrenten bestraft habe, dass es damals um Bananen ging und dass das doch eine hübsche Vorgeschichte zum jetzt entschiedenen Apple-Musikstreaming-Fall sei. Es könnte sein, dass der Kalauer der EU-Wettbewerbskommissarin die Fragen beiseiteschieben soll, die die Kommissionsentscheidung im Streamingdienste-Fall aufwirft, denn: Die Höhe der Kartellbuße gegen Apple erklärt sich nur zu einem ganz geringen Teil damit, dass das Unternehmen wegen des von der Kommission festgestellten Fehlverhaltens „bestraft“ werden muss.

Der satte........

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