Stand: 22.01.2024, 17:17 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Deutschland und die anderen EU-Staaten müssen die Ukraine entweder stärker unterstützen oder ihr offen sagen, dass sie das nicht können und nicht wollen.

Die Floskel „Schön, dass wir geredet haben“ können sich die EU-Staaten nicht leisten bei der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Doch das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister kam nicht darüber hinaus und zeigt erneut, wie schwer es den europäischen Verbündeten Kiews fällt, Wort zu halten.

Bei den finanziellen Hilfen blockiert Ungarn; die Sanktionen gegen Russland lassen sich nicht vollständig durchsetzen. Und die Waffenlieferungen reichen lediglich, um den Hauptlieferanten USA zu ergänzen. Mit anderen Worten: Kiew bekommt zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig.

Es wäre also höchste Zeit, das Engagement zu verstärken. Doch dazu fehlt der politische Wille, aber auch die Kapazitäten, um mehr Waffen zu produzieren. Die meisten Arsenale sind bereits leer geräumt. Und in einigen Hauptstädten hat man zudem gedacht, die bisherigen Waffenlieferungen würden reichen.

An diesem Punkt müssten die EU-Staaten ihrem Verbündeten im Osten Europas reinen Wein einschenken. Statt bei der finanziellen Hilfe zu lavieren, von zusätzlichen Sanktionen gegen Moskau nur zu reden und Waffen sowie genügend Nachschub immer nur zu versprechen, sollten sie der Regierung von Wolodymyr Selenskyj einfach sagen: Mehr ist nicht. Doch will niemand sein Wort brechen, und schon gar niemand will die Ukraine aufgeben. Auch nicht, weil bekanntlich die eigene Sicherheit auf dem Spiel steht.

Das Regime von Wladimir Putin hätte keinen Grund zu verhandeln, wenn der Westen der Ukraine nicht mehr beistehen würde. Moskau könnte einfach warten, bis das Land zusammenbricht, und sich den Rest wie geplant einverleiben. Das wäre nicht das Ende der Expansionsgelüste, nach allem was man bisher weiß.

Der Konflikt mit Russland wird Deutschland und die anderen EU-Staaten also noch lange beschäftigen und weiter sehr viel Geld kosten. Die Europäer sollten sich also gleich einen Ruck geben und sich stärker engagieren.

Doch noch haben sie ihre alte Denkweise nicht überwunden. Die sah vor, dass der alte Kontinent seine Sicherheit an die USA ausgelagert hatte, billige Energie von Russland erhielt und den ökonomischen Aufschwung an China knüpfte.

Die Energie kommt inzwischen zwar weitestgehend aus anderen Staaten. Der Handel soll nicht alleine vom Geschäft mit China abhängen. Nur bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt es außer schönen Worten nur wenig Fortschritt. Der könnte dramatisch erzwungen werden, sollte im November in den USA Donald Trump erneut Präsident werden. Er will sich weder für Europa noch für die Ukraine im bisherigen Ausmaß einsetzen. Dafür haben Deutschland und die anderen EU-Staaten keinen Plan B.

Auch ohne dieses düstere Szenario müssten die Europäer ihre Sicherheitspolitik neu erfinden. Sie müssten sich entschließen, von einem Payer zu einem Player zu werden. Sie müssten einsehen, dass in den aktuellen Konflikten in der Ukraine oder zwischen Israel und der Hamas die Scheckbuchdiplomatie nicht wirklich hilft.

Sie müssten ihre diplomatischen und ökonomischen Fähigkeiten mit robuster Außenpolitik erweitern. Hilfreich wäre es dafür, ihre militärischen Mittel zu bündeln und aufeinander abzustimmen. Daraus folgt nicht, dass sie bei jedem Konflikt militärisch eingreifen sollen. Die geplante EU-Mission im Roten Meer mit ihrem rein defensiven Auftrag könnte Vorbild sein. Sollten Deutschland und die anderen EU-Staaten hingegen lieber alles beim Alten belassen, dann sollten sie das ihren Verbündeten allerdings auch sagen.

Bericht S. 6

QOSHE - Farbe bekennen - Andreas Schwarzkopf
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22.01.2024

Stand: 22.01.2024, 17:17 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Deutschland und die anderen EU-Staaten müssen die Ukraine entweder stärker unterstützen oder ihr offen sagen, dass sie das nicht können und nicht wollen.

Die Floskel „Schön, dass wir geredet haben“ können sich die EU-Staaten nicht leisten bei der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Doch das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister kam nicht darüber hinaus und zeigt erneut, wie schwer es den europäischen Verbündeten Kiews fällt, Wort zu halten.

Bei den finanziellen Hilfen blockiert Ungarn; die Sanktionen gegen Russland lassen sich nicht vollständig durchsetzen. Und die Waffenlieferungen reichen lediglich, um den Hauptlieferanten USA zu ergänzen. Mit anderen Worten: Kiew bekommt zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig.

Es wäre also höchste Zeit, das Engagement zu........

© Frankfurter Rundschau


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