Stand: 10.12.2023, 21:00 Uhr

Von: Christine Dankbar

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Die SPD verzichtet beim Parteitag auf Streit und stärkt der Parteispitze damit den Rücken. Der Leitartikel.

Berlin – Wenn der Glaube Berge versetzen könnte, dann wäre die SPD die erfolgreichste Partei in Deutschland – zumindest nach diesem Parteitag. Drei Tage lang war Berlin der Treffpunkt einer großen glücklichen Familie. Die meisten politischen Beobachterinnen und Beobachter hatten damit gerechnet, dass die Delegierten ihrer Parteiführung zumindest ein paar unangenehme Diskussionen bereiten würden. Immerhin sind die Umfragewerte seit dem unerwarteten Einzug ins Kanzleramt geradezu in den Keller gerauscht.

Die Genossinnen und Genossen haben anders entschieden. Sie haben erst ihre Führungsspitze mit beeindruckend guten Wahlergebnissen im Amt bestätigt und dann ihrem Kanzler den Rücken derart gestärkt, dass das draußen beim politischen Gegner und auch beim Rest der Ampelkoalition nicht unbemerkt bleiben konnte. Scholz hat das vermutlich selbst nicht so deutlich erwartet, wenn man seine sichtliche Erleichterung beim Parteitagsauftritt richtig deutet. Selbst die Jusos rebellierten nur ansatzweise.

Das lag nicht unwesentlich an ihrem früheren Vorsitzenden Kevin Kühnert, der mit furiosem Ergebnis wiedergewählt wurde und in den Diskussionen eine phänomenale Geschicklichkeit bewies, in dem er Widerspruch aufnahm und dann sanft umlenkte in Richtung Parteilinie.

Einige Jusos zeigten sich frustriert, dass sie mit ihren eigenen Anträgen zu Migration und Militärhaushalt nicht durchdrangen. Aber dem ehemaligen eigenen Vorsitzenden wollte man dann doch nicht gegen das Schienbein treten. Stattdessen wurde gefeiert und manche Abstimmung auch ein bisschen schöngetrunken.

Der SPD-Parteitag kann daher als voller Erfolg gewertet werden. Einigkeit ist die Stärke der Partei, das hat Olaf Scholz in seiner Rede gleich mehrmals betont. Er musste es nicht beschwören, denn zuvor hatten die Delegierten bereits ihre Parteispitze mit einem Vertrauensvotum belohnt.

Beide Vorsitzende wurden mit gutem Ergebnis wiedergewählt. Saskia Esken erhielt trotz ihrer eher schwachen Rede ein deutliches Plus von fast sechs Prozent der Stimmen. Sprach man mit den Delegierten am Rande des Parteitages hatte man den deutlichen Eindruck, dass sie genau wussten, was sie wollten. In diesem Fall die Unterstützung für das Führungsduo als gleichberechtigte Doppelspitze.

Das hatte auch etwas damit zu tun, dass man dem politischen Gegner keine Schwäche zeigen wollte. Auffällig: Die vielen Angriffe gegen die CDU und vor allem Friedrich Merz. Manche Attacke hätte genauso gut der FDP gelten können, doch da galt dann die Partei- und Parteitagsdisziplin, die der eigenen Koalition nicht in den Rücken fällt.

Und es stimmt ja auch: Hätte sich die SPD in Streitereien verwickelt, dann wäre das Signal von Berlin gewesen: Seht her, diese Regierung wird von ihren eigenen Kräften nicht getragen, der Bundeskanzler hat abgewirtschaftet. Stattdessen sind die SPD und mit ihr der Kanzler zumindest mental gestärkt worden. Eine kleine vorweihnachtliche Bescherung politischer Reife.

Doch nun ist der zweite Advent vorbei und die Tagesarbeit beginnt wieder mit einer nüchternen Bilanz: Kein Haushalt und auch noch keine Einigung dazu in Sicht. Die Abstimmung dazu wurde zwar auf Januar verschoben, die Verhandlungen gehen aber natürlich jetzt schon weiter. Noch eine Verzögerung kann man sich politisch kaum leisten. Soviel zur Strategie.

Wenn es um die Inhalte geht, ist die Diagnose alarmierender. Vor allem SPD und FDP sind sich nicht einen Schritt näher gekommen. Der Knackpunkt ist die Schuldenbremse. Da hat der Parteitag dem Kanzler einen unmissverständlichen Auftrag gegeben: Noch mal für 2024 eine Notlage erklären und das Instrument dann mindestens reformieren. Ob das klappt? Eher unwahrscheinlich.

Beim Bürgergeld hat Scholz selbst eine fast klare Zusage gemacht. Er nannte die Diskussion darüber „seltsam“. Die SPD werde nicht zulassen, dass am Sozialstaat gespart werde. Viel Glück bei den weiteren Verhandlungen.

Das größte Problem aber hat man nahezu komplett ausgespart: Über der Diskussion von Schuldenbremse, Sozialstaat und Migration wurde die Gefahr von rechts nahezu komplett ausgespart. Man sieht sie natürlich, aber bei Gegenmaßnahmen sind die Genossinnen und Genossen genauso ratlos wie der Rest der demokratischen Parteien. Die Politik der SPD wird nach diesen drei Tagen der Selbstvergewisserung in vielen Dingen sehr viel konkreter werden müssen. (Christine Dankbar)

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Parteitag der SPD: Ein Erfolg für Scholz

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11.12.2023

Stand: 10.12.2023, 21:00 Uhr

Von: Christine Dankbar

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Die SPD verzichtet beim Parteitag auf Streit und stärkt der Parteispitze damit den Rücken. Der Leitartikel.

Berlin – Wenn der Glaube Berge versetzen könnte, dann wäre die SPD die erfolgreichste Partei in Deutschland – zumindest nach diesem Parteitag. Drei Tage lang war Berlin der Treffpunkt einer großen glücklichen Familie. Die meisten politischen Beobachterinnen und Beobachter hatten damit gerechnet, dass die Delegierten ihrer Parteiführung zumindest ein paar unangenehme Diskussionen bereiten würden. Immerhin sind die Umfragewerte seit dem unerwarteten Einzug ins Kanzleramt geradezu in den Keller gerauscht.

Die Genossinnen und Genossen haben anders entschieden. Sie haben erst ihre Führungsspitze mit beeindruckend guten Wahlergebnissen im Amt bestätigt und dann ihrem Kanzler den Rücken derart gestärkt, dass das draußen beim politischen Gegner und auch beim Rest der Ampelkoalition nicht unbemerkt bleiben konnte. Scholz hat das vermutlich selbst nicht so deutlich erwartet, wenn man seine sichtliche Erleichterung........

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