Stand: 03.04.2024, 16:37 Uhr

Von: Daniela Vates

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Die Ampel sollte im Streit über die sinnvolle Kindergrundsicherung bald einen Kompromiss vorlegen und die Selbstblockade beenden. Das würde überzeugen.

Die Zahl 5000 verursacht gehörig Aufregung. Familienministerin Lisa Paus trägt sie vor sich her, die FDP kommt kaum heraus aus dem Schimpfen, andere in der Koalition verdrehen die Augen. 5000 Stellen will Paus neu schaffen, um die geplante Kindergrundsicherung verwalten und auszahlen zu können.

Es wirkt ein wenig absurd, weil mit der Grundsicherung Bürokratie abgebaut werden soll und neue Stellen vor allem nach einem klingen: nach komplizierteren, bürokratischeren Verfahren. Dass es zusätzlich Personal braucht, weil es künftig – und das mit voller Absicht und als Ziel der Reform – mehr Kinder geben wird, die staatlich unterstützt werden, fällt dabei gerne mal hinten runter.

Das mag auch an der Vehemenz liegen, mit der Paus die 5000 Stellen ins Feld führt. Nach Sturheit sieht das aus und es passt zum Image, das der Ministerin in der Koalition anhängt – sie hat sich zu einer Art Bad Bank entwickelt, an der sich gerne mal der gesamte Koalitionsfrust entlädt. Bei der Kindergrundsicherung allerdings könnte auch der klassische Bazar-Grundsatz zum Tragen kommen: erst mal deutlich mehr als den realistischen Preis fordern.

Paus’ Kalkül wäre dann: Wenn sich die FDP, die kein Freund der Kindergrundsicherung und bei sozialpolitischen Projekten gerne misstrauisch ist, auf die 5000 Stellen fokussiert, lässt sie in Zeiten knapper Kassen zumindest das Projekt als solches stehen. Bedauerlich allerdings ist, dass der Streit um die Stellenzahl geeignet ist, eine sinnvolle Reform zu diskreditieren.

Dabei wäre es aller Mühe wert, sie endlich zu beschließen. Es ist vernünftig, Leistungen zusammenzufügen, statt hier und dort noch einen Fördertopf zu verstecken, als ginge es ums Ostereiersuchen. Es ist im Sinne der Kinder, wenn sich Eltern nicht durch immer wieder neue Anträge wühlen müssen, sondern der Staat von sich aus prüft, ob und welche Ansprüche bestehen.

Die Kindergrundsicherung würde dazu führen, dass mehr Kinder staatliche Leistungen bekommen. Weil das Kindergeld dann nicht mehr auf die Arbeitslosenunterstützung, das Bürgergeld, angerechnet würde. Und weil auch die Kinder unterstützt würden, deren Eltern bisher keine entsprechenden Anträge gestellt haben.

In der Regel geschieht das nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Nichtwissen, Scheu vor Behörden, Überforderung. Kinder sollten darunter nicht leiden. Laut Statistik lebt jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut – das zeigt, dass es Handlungsbedarf gibt.

Auf den Staat kommen also zusätzliche Kosten zu. Auf 2,4 Milliarden Euro haben sich Paus und Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner mühevoll geeinigt. In den kommenden Jahren dürfte diese Summe steigen, weil immer mehr Fälle erfasst würden. Daran könnte auch ein sparsamer Finanzminister nicht so einfach etwas ändern. Ein Scheitern der Kindergrundsicherung würde die FDP daher wohl in Kauf nehmen. Auf diese Weise wird das Projekt zu einem Pfand.

Denn es lohnt sich in Koalitionen immer, das Ganze in den Blick zu nehmen. Es wird ja nicht über die Kindergrundsicherung alleine verhandelt. Gleichzeitig geht es um Einsparungen im nächsten Haushalt. Es geht darum, dass die FDP den Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer erhöhen, die Unternehmenssteuern senken und das gerade erst beschlossene Bürgergeld reformieren und diese Forderung nicht der Union überlassen will. Und eine Wirtschaftswende will sie auch noch für sich in Anspruch nehmen.

Das Verhandlungsgetöse reicht jetzt, die Ampel täte gut daran, bald einen Kompromiss vorzulegen. An der Zahl 5000 sollte die Kindergrundsicherung nicht scheitern. Zur beschworenen Wirtschaftswende gehört auch ein Ende der Selbstblockade. Bericht S. 4

QOSHE - Konzept statt Gezerre - Daniela Vates
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Konzept statt Gezerre

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03.04.2024

Stand: 03.04.2024, 16:37 Uhr

Von: Daniela Vates

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Die Ampel sollte im Streit über die sinnvolle Kindergrundsicherung bald einen Kompromiss vorlegen und die Selbstblockade beenden. Das würde überzeugen.

Die Zahl 5000 verursacht gehörig Aufregung. Familienministerin Lisa Paus trägt sie vor sich her, die FDP kommt kaum heraus aus dem Schimpfen, andere in der Koalition verdrehen die Augen. 5000 Stellen will Paus neu schaffen, um die geplante Kindergrundsicherung verwalten und auszahlen zu können.

Es wirkt ein wenig absurd, weil mit der Grundsicherung Bürokratie abgebaut werden soll und neue Stellen vor allem nach einem klingen: nach komplizierteren, bürokratischeren Verfahren. Dass es zusätzlich Personal braucht, weil es künftig – und das mit voller Absicht und als Ziel der Reform – mehr Kinder geben wird, die staatlich unterstützt werden, fällt dabei gerne mal hinten runter.

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